Texter | Journalist | Schriftsteller

Monat: August 2019 (Seite 3 von 6)

Learning by Ethiopia

Äthiopien will bis Oktober vier Milliarden Bäume pflanzen. Allein Anfang dieser Woche sollen die rund 100 Millionen Äthiopier binnen 12 Stunden fast 354 Millionen Setzlinge in den Boden gebracht haben. Das berichten übereinstimmend diverse Medien, z.B. Spiegel online.

Zuerst dachte ich an eine PR-Aktion oder einen symbolischen Hilferuf, der auf die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam machen soll, ähnlich der berühmt gewordenen „Unterwassersitzung“ der Regierung der Malediven.

Tatsächlich aber ist die weltweite Medienresonanz allenfalls ein (gewollter) Nebeneffekt der Aktion: Sie ist Teil der „green-legacy“-Initiative der äthiopischen Regierung. Deren Ziel ist „… to become a green society by planting various types of eco-friendly seedling to combat environmental degradation“. Denn ein Großteil der rund 100 Millionen Äthiopier lebt von der Landwirtschaft. Aber Überschwemmungen und Abholzungen machen den Boden immer unwirtlicher. Von einstmals rund 35 Prozent ist der Anteil der bewaldeten Landesfläche auf nurmehr rund 4 Prozent geschrumpft. Dem soll die staatliche Pflanzaktion entgegensteuern.

Es geht also tatsächlich um praktische Wiederaufforstung, nicht um medienwirksame Lippenbekenntnisse. Davon ließe sich lernen.

Im Wolfserwartungsland

Der Europäische Grauwolf siedelt und jagt wieder in Deutschland. Unter denen, die alltäglich mit dem neuen Nachbarn leben müssen, ist die Willkommensfreude verhalten. Halali-Autor Volker Pesch hat sich [Ende 2015] in Mecklenburg-Vorpommern angeschaut, was die Rückkehr der Wölfe heute und in naher Zukunft für Schäfer, Landwirte und Jäger bedeutet.

Zuerst war das Wort nur ein bitterböse Pointe: Wolfserwartungsland, das stand für entleerte ländliche Räume und sterbende Dörfer im Osten der Bundesrepublik. Ein Finger in jenen Wunden, die Soziologen und Raumplaner gerne als Folgen des demographischen Wandels schönreden. Wo Menschen keine Lebensgrundlage mehr finden und abwandern, das sollte damit ausgedrückt werden, siedeln sich bald wieder Wölfe an. „Ostdeutschland war in den letzten 25 Jahren bereits das Labor für Niedriglöhne, Tarifflucht und Abwanderung“, warnte beispielsweise Helmut Holter, Fraktionschef der Linken im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, „es darf jetzt nicht Wolfserwartungsland werden.“ Ein kräftiges Bild ist das, und es leuchtet politisch unmittelbar ein. Wildbiologisch betrachtet hat es allerdings einen Fehler: Die Wölfe siedeln sich nämlich auch dort an, wo Menschen leben.

Weiterlesen in HALALI Nr. 1/2016 oder hier als pdf

Raubtier mit Pferdekopf

Ein großes Raubtier kehrt nach Deutschland zurück. Doch mit der Population wachsen die wirtschaftlichen Schäden, und mit den Schäden der Streit. Die einen fordern Schutz und Monitoring, die anderen Jagd und Regulierung. Nein, die Rede ist nicht vom Wolf. Halali-Autor Dr. Volker Pesch hat sich vielmehr mit der Kegelrobbe an der Ostseeküste beschäftigt.

Ein einzelner Höckerschwan zieht vorbei. Das rhythmische Schlagen seiner Schwingen hatte ihn angekündigt, lange bevor der weiße Vogel selbst auszumachen war. Es ist an diesem Aprilmorgen das einzige Geräusch, die einzige Bewegung über dem Greifswalder Bodden. Abgesehen vom Tuckern des Dieselmotors und dem Kielwasser des Kutters. Selbst die Möwen scheinen noch zu schlafen. Weit voraus am Horizont zeichnet sich schemenhaft die kleine Insel Greifswalder Oie ab. An backbord wird die Steilküste von Mönchgut erkennbar, an steuerbord verwandelt die aufgehende Sonne die Schornsteine des ehemaligen Kernkraftwerks von Lubmin in weithin sichtbare Landmarken. 

Hier, an der seewärtigen Grenze des Biosphärenreservats Südost-Rügen, liegen die Fischgründe eines der letzten Küstenfischer. Sein Name tut nichts zur Sache, also nennen wir ihn einfach „Jochen“, mit langem O, wie es in Vorpommern üblich ist. Üblich wie das orange Ölzeug als Schutz gegen Wetter und Fischschuppen, üblich wie die Gummistiefel und der Stoppelbart, der in Form und Farbe an eine Spülbürste aus dem Bioladen erinnert. Dieser Jochen ist nur eine Erfindung des Autors, aber er steht stellvertretend für einen Berufszweig, der die Region einst wirtschaftlich und kulturell geprägt hat und heute zwischen Fangquoten, Nachhaltigkeitszertifikaten und Weltmarktpreisen aufgerieben wird. 

Sein Alter ist schwer zu schätzen, er ist sicher nicht mehr der Jüngste. Obwohl er das schon ewig und drei Tage macht, ist ihm die aufmerksame Anspannung anzusehen, während er eine seiner Reusen ansteuert. Deren hölzerne Stengen sind ins flache Wasser an den Rand einer Untiefe gerammt. Die Topografie des Meeresgrundes zwingt hier die Fische aufzusteigen und leitet sie in die Netze. Jochen drosselt den Motor. „Werden gleich sehen, ob die Viecher heut Nacht wieder dranwaren“, grummelt er, während das Boot mit letztem Schwung auf die wackelige Konstruktion zutreibt.

Weiterlesen in HALALI Nr. 1/2019

Beute

Um es gleich vorweg zu sagen: wäre in dieser Rubrik ein Jagdbuch des Jahres [2018] zu küren, stünde das Ergebnis schon fest. Es wäre Pauline de Boks „Beute“. Als Gesamtsieger. Von dieser niederländischen Autorin liegt bereits ein wunderbares Buch in deutscher Übersetzung vor, nämlich „Blankow oder Das Verlangen nach Heimat“. Das ist eine Art Reisereportage in die Vergangenheit. Es handelt davon, wie sich die Autorin für eine Auszeit auf ein halb verfallenes mecklenburgisches Gut zurückzieht, um dann aus ihren alltäglichen Verrichtungen, Fundstücken, Gesprächen, Erinnerungen und Recherchen fast 200 Jahre Geschichte lebendig werden zu lassen. 

Ihr jetzt ins Deutsche übersetztes Buch „Beute“ ist zunächst ähnlich angelegt: Wieder ist die Autorin allein im stillen Land Mecklenburg, das sie mittlerweile als „zweite Heimat“ bezeichnet, und wieder ist es eine Art Reportage. Die führt aber diesmal nicht in die Vergangenheit, sondern ins Innerste der Autorin. Denn das Buch ist Ergebnis eines Experiments, um nicht zu sagen eines Selbstversuchs. Pauline de Bok hat die Jägerprüfung gemacht, eigentlich als Recherche für einen Roman („De Jaagster“ ist 2014 erschienen, aber noch nicht ins Deutsche übersetzt). Versehen mit einem Begehungsschein geht sie nun rund um ihr Gehöft zur Jagd. Und die verändert ihr Leben, nimmt sie vollständig ein, wird zum Dreh- und Angelpunkt ihres Alltags und richtet ihren Blick auf Mensch, Natur und das eigene Handeln neu aus.

Weit entfernt von jeglicher „Ich-kam-sah-und-schoss-es-tot“-Lyrik erzählt de Bok von einsamen Pirschgängen, nächtlichen Ansitzen, Wildbeobachtungen im Morgengrauen oder Begegnungen mit Jägern. Sie nimmt ihre Leser mit auf Ernte- und Drückjagden, auch in die Wildkammer oder vielmehr in den eigenen Stall, wo sie erlegtes Wild zerwirkt. Sie verschweigt nicht ihre zwiespältigen Gefühle nach dem Schuss, reflektiert klug Jagdtrieb und moralische Verantwortung, denkt über das Töten von Tieren nach und über eine Gesellschaft, die davon nichts wissen will, aber immer mehr Fleisch konsumiert. Und sie legt den Finger schmerzhaft in manch offene Wunde der Jagd, etwa da, wo Brauchtum und neue wildbiologische Erkenntnisse kollidieren. Nicht zuletzt ist das Buch auch noch brillant geschrieben. Chapeau oder Hoed af!

Pauline de Bok: Beute. Mein Jahr auf der Jagd, erschienen 2018 im Verlag C.H. Beck, 272 Seiten, gebunden, 19,95 Euro

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Der Drilling

Für den Wildtiermanager ist der Drilling nicht die Waffe der Wahl. Den wird man eher mit Kunststoffschaft und Schalldämpfer sehen. Der Drilling hingegen ist sowas wie die Waffe gewordene deutsche Waidgerechtigkeit. Über Jahrzehnte war er die „Försterwaffe“ schlechthin, eine Waffe für (fast) alle Gelegenheiten, mit Einstecklauf sogar schonzeitgeeignet. Und günstig in der Anschaffung war er auch, weil alle gängigen Hersteller ihn relativ schmucklos und in großer Zahl fertigten. Dabei ist zumindest ein Standard-Drilling eigentlich für keine Jagdart wirklich perfekt: für den Entenstrich zu unausgewogen, für die Pirsch zu schwer, für den Ansitz zu unpräzise und für die Drückjagd fehlt die schnelle zweite Kugel. Deswegen ist der Drilling heute zwar Kult, aber im jagdlichen Alltag selten geworden.

Dennoch hat Norbert Klups seine auf vier Bände angelegte Edition der beliebtesten Jagdwaffen mit einer Monografie über den Drilling eröffnet (Doppelbüchse, Repetierer und Flinte sollen in den kommenden Jahren folgen). Beginnend mit der Entwicklungsgeschichte stellt der bekannte Autor und Schießtrainer detailliert die unterschiedlichen Bauarten und Konstruktionsmerkmale vor, beschreibt Serienmodelle und Hersteller sowie Einzelanfertigungen und typische Gravuren, erklärt, worauf beim Kauf eines gebrauchten Drillings und bei der Pflege zu achten ist und gibt schließlich Tipps zum Einschießen. 

Dieses Buch ist mehr als nur ein Coffee Table Book für Waffenliebhaber. Es ist wirklich informativ, ohne trocken daherzukommen, wozu auch die ästhetische Bebilderung beiträgt. Nach der Lektüre holt man den geerbten Drilling aus dem Schrank und wischt verschämt den Staub ab. Etwas ärgerlich sind aber die einleitenden Beiträge über zwei bekannte Unternehmen, die ganz zweifellos in den Bereich „PR und Werbung“ gehören. Das wäre an sich ja nicht verwerflich, zumal Verkaufsauflage und Herstellungskosten eines derart aufwändigen Bandes vermutlich in einem schwierigen Verhältnis stehen. Aber man hätte es als Anzeigen kennzeichnen und deutlich vom Sachtext abgrenzen können.     

Norbert Klups: Der Drilling, erschienen 2017 im Heel Verlag, 192 Seiten, Großformat gebunden im Schuber, 49,95 Euro

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Wildtiermanagement

Für die einen bezeichnet „Wildtiermanagement“ einen zeitgemäßen Umgang mit Wildtieren, für die anderen das Ende aller Waidgerechtigkeit. Von Esoterikern einmal abgesehen bezweifelt aber wohl niemand, dass es heute menschlicher Eingriffe und Steuerungsprozesse bedarf, um Lebensräume von Tieren zu erhalten, Populationsgrößen zu regulieren und Interessen des Menschen zu wahren. Aber längst noch nicht auf allen Seiten hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass dies nur in Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung, Forst- und Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz erfolgreich praktiziert werden kann. 

Das hier angezeigte Buch geht von dieser Einsicht aus und bietet eine weit gefächerte Einführung in das Thema. Ein Schweizer Autorenteam hat es – unterstützt von namhaften Forschern und Praktikern – aus wissenschaftlichen Arbeiten, Interviews, Schulungsunterlagen für die Aus- und Weiterbildung und eigenen Erfahrungen im Wildtiermanagement zusammengestellt. Das richtet sich zuerst an Studierende der entsprechenden Fachbereiche, versteht sich aber auch als Leitfaden und Handreichung an Behörden und Vertreter der „grünen Berufe“. Freunden lieblicher Lektüren sei daher abgeraten: es ist ein Fachbuch, das über weite Teile den Charme einer Hauptseminarsarbeit versprüht. 

In der Sache aber gibt das Buch einen guten Überblick über die Grundlagen, Methoden, Problemfelder und Ziele des Wildtiermanagements. Der Hauptteil behandelt einzelne Wildarten, und zwar strukturiert unter dem Aspekt, ob die Arten gefährdet und daher besonders zu schützen sind (wie z.B. Auerhuhn, Feldhase oder Ringelnatter), einer stetigen Regulierung bedürfen (wie z.B. Rothirsch, Fuchs oder Biber) oder im Bestand reduziert werden müssen (Wildschwein, Kormoran und Schermaus). Außerdem wird die Problematik der Neozoen behandelt, wobei hier leider Arten wie Waschbär und Marderhund fehlen. Das Schlusskapitel zur Zukunft des Wildtiermanagements endet mit einem Appell für einen respektvollen Umgang mit unserer Mitwelt.         

Klaus Robin, Roland F. Graf, Reinhard Schnidrig: Wildtiermanagement. Eine Einführung, erschienen 2017 im Haupt Verlag Bern, 335 Seiten, gebunden, 59,00 Euro

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Die Gleichung des Lebens

Die Renaturierung einstmals trockengelegter Moore ist ein großes Thema. Denn heute weiß man, dass gesunde Moorkörper Kohlendioxid speichern und Lebensräume einzigartiger Biozönosen bilden. Moore dienen dem Klima- und Artenschutz. Dennoch ist die Renaturierung oft nicht unumstritten. Wo extensiv genutzte Weideflächen oder Naherholungsgebiete im sauerstoffarmen Wasser ersaufen, sorgt das oft für Ärger. Nicht allen gefällt die Vorstellung, die Uhren zurück zu drehen in eine Zeit, als aus den großen Sümpfen und Mooren unter unvorstellbaren Strapazen urbares Land gemacht wurde. 

Genau dorthin führt Norman Ohlers Roman, genauer gesagt in den Sommer des Jahres 1747. Friedrich der Große will das von Fischern und Kätnern bewohnte Oderbruch in Ackerland verwandeln. Hier sollen Kartoffeln wachsen und Rinder weiden, er will Menschen aus dem Süden ansiedeln. Also lässt er mit gewaltigem Aufwand Entwässerungsgräben und Deiche anlegen. Aber nicht nur Mücken, Malaria und Biber machen die Arbeiten zur Tortur. Mancherorts regt sich Widerstand unter denjenigen, die seit Jahrhunderten mit und von dem Wasser leben und die der Kartoffel ebenso ablehnend gegenüberstehen wie den fremden Kolonisten. Die wendischen Fischer fürchten das Ende ihrer Welt. 

Das Buch besticht durch eine atmosphärische Dichte, die einen förmlich eintauchen lässt in die Odersümpfe und das 18. Jahrhundert. Dabei ist „Die Gleichung des Lebens“ auch ein spannender historischer Krimi: Ein Ingenieur wird ermordet, Friedrich entsendet den Mathematiker Leonhard Euler an die Oder, um die ausstehenden Berechnungen anzustellen. Der zweifelt mehr und mehr an der Sinnhaftigkeit des gesamten Vorhabens. Stattdessen interessiert er sich für die Mordumstände, erliegt beinahe selbst dem Sumpffieber und findet am Ende heraus, wer den Ingenieur ermordet hat.

Norman Ohler: Die Gleichung des Lebens, erschienen 2017 im Verlag Kiepenheuer & Witsch, 416 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 22,00 Euro

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„Der Blase“

Im Jahr 1936 erschien erstmalig ein Buch mit Fragen und Antworten zur Jägerprüfung. Formuliert hatte die ein Veterinär namens Dr. Richard Blase (1900-1981). Offensichtlich fand diese pragmatische, direkt an der Prüfung orientierte Aufbereitung des Lehrstoffs sofort den Zuspruch der Jagdscheinanwärter, denn bis in die vierziger Jahre erlebte das Buch fünf weitere Auflagen. Und schon kurz nach Kriegsende war es wieder zu haben, jetzt freilich ohne Hakenkreuz und Führerhuldigung im Vorwort. Bis heute gilt „der Blase“ als jagdliches Standardwerk, mehr als 560.000 Exemplare sind davon verkauft. 

Generationen von Jägern haben nach dieser Methode fürs „grüne Abitur“ gebüffelt. Wer einmal in älteren Ausgaben schmökert, bekommt eine Ahnung davon, wie sich die Inhalte und damit der Umfang stetig verändert und vermehrt haben. Die Originalausgabe hatte nur knapp 200 Seiten, deutliche Schwerpunkte waren (jagdbare) Wildtiere, Waffenkunde und Hundewesen. Mit jeder Neuauflage nahm die Zahl der Fragen zu, Themen wurden erweitert oder zusätzlich aufgenommen, beispielsweise Jagdrecht, Hygiene, Feld- und Waldbau oder Naturschutz. 1965 waren es schon 527 Seiten, die Ausgabe von 1988 umfasst 876 Seiten und die aktuelle bringt es auf stattliche 936 Seiten. Das ist mittlerweile die 32. Auflage, herausgegeben von Joachim Reddemann, dem Hauptgeschäftsführer des LJV Bayern.

Schon für die vorletzte Auflage waren alle Kapitel sowie die Anhänge grundlegend überarbeitet und aktualisiert worden. Fragen und Antworten sind seitdem in Grund- und Aufbauwissen unterteilt. Aber selbst das Grundwissen ist eine geballte Ladung, und manch einer dürfte beim Durcharbeiten den verzagten Beschluss fassen, lieber nicht zur Prüfung anzutreten und stattdessen Jagdhelfer auf Lebenszeit zu bleiben. Wer sich aber durchbeißen will, findet in „dem Blase“ nach wie vor ein effizientes Lehr- und Lernmittel. Dank des umfangreichen Registers lässt sich das Buch über die Jägerprüfung hinaus auch als Nachschlagewerk nutzen.

Blase – die Jägerprüfung, 32. Auflage 2017, hrsg. von Joachim Reddemann, Quelle & Meyer Verlag, 936 Seiten, gebunden, 39,95 Euro 

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Die Treibjagd

Auch wenn der Titel das nahelegt, ist Antonin Varennes Kriminalroman kein Jagdkrimi im engeren Sinne. Er spielt zwar im französischen Hinterland, im Limousin, in der grandiosen Landschaft am Fuß des Massiv Central, und im Mittelpunkt der Handlung steht ein Revierjäger namens Rémi Parrot. Es kommen auch eine große Gesellschaftsjagd und Wildschweine in unterschiedlichen Rollen vor. Eine Art französischer Western ist das, inszeniert in wilder Natur, mit archaisch anmutenden Ritualen und gelegentlich brachialer Gewalt zwischen Männern. Aber das alles ist nur die Kulisse der eigentlichen Krimihandlung.

Die titelgebende „Treibjagd“ ist vielmehr eine Metapher: Der Revierjäger gerät zwischen die Fronten zweier verfeindeter Familienclans. Die Messenets betreiben Viehzucht in großem Stil, die Courbiers ein Sägewerk. Als letzte Arbeitgeber der Region haben sie längst die Macht übernommen. Ein militanter Öko-Aktivist verschwindet, Rémi Parrot beteiligt sich an der Suche, findet den Mann (erwartungsgemäß ermordet) und begreift schnell, dass es hier um ein Umweltverbrechen geht. Die „Treibjagd“ richtet sich gegen ihn, und weil sowas einfach zum Genre gehört, kämpft der von Jugend an körperlich entstellte Rémi nebenbei auch noch um die Liebe der schönen Michèle. 

Varenne erzählt die Story packend und schnörkellos. Für seine klare Sprache wird er im Feuilleton gefeiert. Sein letzter Roman räumte in Frankreich mehrere Preise ab, und „Die Treibjagd“ hat es auch hierzulande bereits in die Krimi-Bestenlisten geschafft. Durchaus zu recht. Leser mit grünem Abitur müssen allerdings über kleinere fachsprachliche Schwächen hinwegsehen: Da wird „seit Menschengedenken“ mit „Benelli-Flinten“ auf Wildschweine gejagt, „Weibchen“ sinken „von Schüssen durchsiebt“ zu Boden und die „Abschussquote“ beträgt nach einer Stunde „fünfundachtzig Tiere“. Wer darüber hinweglesen kann, wird einen wirklich guten Krimi lesen.

Antonin Varenne: Die Treibjagd, erschienen 2017 im Penguin Verlag, 304 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro

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Unsere Vögel

Bereits 1849 hat der Ornithologe Johann Friedrich Naumann, Verfasser einer wegweisenden zwölfbändigen Monographie über die Naturgeschichte der Vögel, auf gravierende Bestandsrückgänge in der heimischen Vogelwelt aufmerksam gemacht. Als Ursachen benannte er die intensive Melioration und den Ackerbau auf immer größerer Fläche, aber auch die Tatsache, dass in Deutschland Amsel, Drossel, Fink und Star in großer Zahl verspeist wurden. Im 19. Jahrhundert war Deutschland noch ein „Vogelfresserland“. 

Nun sind Singvögel schon lange vom heimischen Speiseplan gestrichen. Dennoch nimmt ihre Zahl in Deutschland um etwa 1 Prozent pro Jahr ab. Peter Berthold, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und ehemaliger Leiter der Vogelwarte Radolfzell, errechnet in seinem neuen Buch, dass der Gesamtverlust an Vögeln von 1800 bis heute sage und schreibe 80 Prozent beträgt. Mit anderen Worten: „wo heute noch einer zwitschert, waren es früher fünf.“ Das ist ein erschreckender und alarmierender Befund.

Die Hauptursachen sind allgemein bekannt: intensive Land- und Forstwirtschaft mit ausgedehnten Monokulturen und hohem Pestizideinsatz, zunehmende Flächenversiegelung durch Verkehrswege, Siedlungen und Industriegebiete, Energiegewinnung aus Pflanzen, Sonne und Wind sowie flächige Rohstoffgewinnung im Tagebau – das alles zerstört Biotope oder vermindert zumindest erheblich deren Qualität. Auch freilaufende und verwilderte Hauskatzen sind zu einem erheblichen Problem für die Vogelwelt geworden: Mindestens 30 Millionen Singvögel werden allein in Deutschland jährlich von Katzen erbeutet. Jagd und Verfolgung durch Menschen spielen hierzulande kaum noch eine Rolle.

Peter Berthold belässt es nicht bei der Bestandsaufnahme. Allerdings setzt er nicht auf Politik und die großen Verbände. Es schwingt ein wenig Resignation mit, wenn er die bisherigen Schutzmaßnahmen als „halbherzig“ bezeichnet und schreibt, da können man stattdessen auch Votivtafeln aufstellen („Maria hilf!“). Mit der Kampagne „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ setzt Berthold stattdessen auf ein neues Naturschutzkonzept, nämlich einen deutschlandweiten Biotopverbund. Und er beschreibt auch, was jeder einzelne in seinem Hausgarten für die Vogelwelt tun kann. 

Peter Berthold: Unsere Vögel. Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können, erschienen 2017 im Ullstein Verlag, 336 Seiten, gebunden, 24,00 Euro

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