Um es gleich vorweg zu sagen: wäre in dieser Rubrik ein Jagdbuch des Jahres [2018] zu küren, stünde das Ergebnis schon fest. Es wäre Pauline de Boks „Beute“. Als Gesamtsieger. Von dieser niederländischen Autorin liegt bereits ein wunderbares Buch in deutscher Übersetzung vor, nämlich „Blankow oder Das Verlangen nach Heimat“. Das ist eine Art Reisereportage in die Vergangenheit. Es handelt davon, wie sich die Autorin für eine Auszeit auf ein halb verfallenes mecklenburgisches Gut zurückzieht, um dann aus ihren alltäglichen Verrichtungen, Fundstücken, Gesprächen, Erinnerungen und Recherchen fast 200 Jahre Geschichte lebendig werden zu lassen. 

Ihr jetzt ins Deutsche übersetztes Buch „Beute“ ist zunächst ähnlich angelegt: Wieder ist die Autorin allein im stillen Land Mecklenburg, das sie mittlerweile als „zweite Heimat“ bezeichnet, und wieder ist es eine Art Reportage. Die führt aber diesmal nicht in die Vergangenheit, sondern ins Innerste der Autorin. Denn das Buch ist Ergebnis eines Experiments, um nicht zu sagen eines Selbstversuchs. Pauline de Bok hat die Jägerprüfung gemacht, eigentlich als Recherche für einen Roman („De Jaagster“ ist 2014 erschienen, aber noch nicht ins Deutsche übersetzt). Versehen mit einem Begehungsschein geht sie nun rund um ihr Gehöft zur Jagd. Und die verändert ihr Leben, nimmt sie vollständig ein, wird zum Dreh- und Angelpunkt ihres Alltags und richtet ihren Blick auf Mensch, Natur und das eigene Handeln neu aus.

Weit entfernt von jeglicher „Ich-kam-sah-und-schoss-es-tot“-Lyrik erzählt de Bok von einsamen Pirschgängen, nächtlichen Ansitzen, Wildbeobachtungen im Morgengrauen oder Begegnungen mit Jägern. Sie nimmt ihre Leser mit auf Ernte- und Drückjagden, auch in die Wildkammer oder vielmehr in den eigenen Stall, wo sie erlegtes Wild zerwirkt. Sie verschweigt nicht ihre zwiespältigen Gefühle nach dem Schuss, reflektiert klug Jagdtrieb und moralische Verantwortung, denkt über das Töten von Tieren nach und über eine Gesellschaft, die davon nichts wissen will, aber immer mehr Fleisch konsumiert. Und sie legt den Finger schmerzhaft in manch offene Wunde der Jagd, etwa da, wo Brauchtum und neue wildbiologische Erkenntnisse kollidieren. Nicht zuletzt ist das Buch auch noch brillant geschrieben. Chapeau oder Hoed af!

Pauline de Bok: Beute. Mein Jahr auf der Jagd, erschienen 2018 im Verlag C.H. Beck, 272 Seiten, gebunden, 19,95 Euro

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