Texter | Journalist | Schriftsteller

Monat: Januar 2020

Pirschgang auf Abwegen (VI)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Nahezu täglich ploppt in meinem Facebook-Account die Werbung für den neuen Defender auf. Geht es Ihnen auch so? Wenn Sie im weltweiten Netz regelmäßig Seiten aufrufen, die mit Jagd und Natur zu tun haben, ist das sehr wahrscheinlich. Denn dann vermutet der Algorithmus hinter Ihrer IP einen potenziellen Defender-Fahrer (vielleicht auch eine Fahrerin, sofern der Algorithmus up to date ist und nicht Frauen nur rosafarbene Camouflage zugesteht).

Eine lang gehegte Befürchtung ist also Realität geworden: Land Rover legt die Legende neu auf. Das ist zumindest mutig. Das neue Ding sieht futuristisch aus, ein wenig so, als habe ein Cartoonist einen Defender für den 27. Teil von „Krieg der Sterne“ gezeichnet. Bei mir löst die Werbung allerdings in erster Linie Bauchschmerzen aus. Denn ein Defender ist ja nicht irgendein Auto. Ein Defender ist der Traum meiner Kindheit! 

Einmal war ich sogar kurz davor, diesen Traum wahr werden zu lassen. Vor ein paar Jahren habe ich im Autohaus ehrfürchtig die Stahlfelgen gestreichelt und in Gedanken aus dem Dachzelt einen Großen Kudu erlegt. Die Probefahrt brachte allerdings echte Ernüchterung: Als Fahrer sitzt man im Defender weit links. Wirklich sehr weit links. Zwischen Fahrer und Beifahrer hingegen fände noch der Kudu Platz. Außerdem rappelt und röhrt das Ding schon auf der Landstraße wie ein historischer LKW am Brennerpass. Nein – manche Träume sollte man besser ruhen lassen.

Ich habe mir dann einen Amarok gekauft. Entschuldigend sei angemerkt, dass zum Zeitpunkt meiner Bestellung VW-Dieselfahrzeuge noch als umweltfreundlich galten. Aber natürlich bräuchte ich eigentlich keinen allradgetriebenen Pick-up. Wo ich fahre, käme auch ein Nissan Micra durch. 

Warum also so eine „fette Försterkarre“ (O-Ton eines ansonsten geschätzten Kollegen)? Aus Spaß an der Freude, ich gebe es zu. Das Ding passt einfach zu meinen liebsten Beschäftigungen. Wenn ich eine Bienenbeute auf die Ladefläche wuchte oder die Büchse auf die Rückbank lege, freue ich mich darüber, dass es kein Micra ist. Ich finde das Motiv übrigens legitim und werde nicht mit meinem Psychotherapeuten darüber sprechen.

Vielleicht ist es ein wenig wie das Herz eines Löwen zu essen, auf dass dessen Kühnheit und Kraft auf den Erleger übergehen möge. Immerhin ist der Amarok in der Mythologie der Inuit ein Riesenwolf, ein einsames Raubtier, ein großer Nimrod. Und so fühle ich mich dann auch, wenn ich meinen Zweitonner auf den Aldiparkplatz lenke. Stark und unbesiegbar. Übrigens habe ich nur außenrum die Wald-und-Forst-Variante gewählt. Innendrin ist es Trendline mit Multitronic und Sitzheizung. Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste.

Ein Biotop als Wirtschaftsbetrieb

Im äußersten Nordosten der Republik liegt der Landkreis Vorpommern-Greifswald. Gut zwei Autostunden von Berlin entfernt bewirtschaftet eine Familie das historische Kirchengut Strellin als ökologisch ausgerichteten Betrieb.

Für heute ist die Jagd vorbei. Hinter dem Feldgehölz in meinem Rücken hat längst die Sonne ihren Tageslauf begonnen und wärmt schon spürbar. Ein letztes Mal leuchte ich die Flächen ab, bleibe kurz bei einer Ricke hängen, die sich vertraut den frischen Klee schmecken lässt, schwenke am schilfbestandenen Rand des Bruchs entlang bis zu der dichten Hecke aus Schlehen, Holunder und Weißdorn, die das Revier nach Westen hin begrenzt und lasse das Glas schließlich sinken. In den nächsten zwei oder drei Stunden wird hier kein Bock mehr kommen. Also recke und strecke ich mich und gähne dabei lauthals einen Gruß in den frühen Julimorgen. Die Ricke wirft auf, scheint das Geräusch aber nicht bedrohlich zu finden. Leise entlade ich die Büchse, packe meine sieben Sachen zusammen und baume ab.
Querfeldein gehe ich in Richtung Gutsanlage und … (lesen Sie hier weiter)

Wildlife Gardening

Imidacloprid ist ein systemisches Insektizid. Es zählt zu jenen Neonicotinoiden, die seit 2018 europaweit nicht mehr im Freiland ausgebracht werden dürfen, sehr zum Ärger vieler Landwirte. Das Verbot wurde zurecht als wichtiger Schritt für den Artenschutz bezeichnet. Aber in Baumärkten und Gartencentern ist der Wirkstoff nach wie vor frei verkäuflich, er findet sich in allen möglichen und unmöglichen Sprühflaschen und Streumitteln und wird weltweit von Hobbygärtnern in gewaltigen Mengen eingesetzt. Wenig bekannt ist auch, dass er sich in den gängigen Spot-on-Präparaten findet, mit denen Haustiere vorsorglich gegen Parasiten geschützt werden. Wenn der Golden Retriever im heimischen Garten das Bein hebt, bringt er mit großer Wahrscheinlichkeit Imidacloprid aus.

Solche Informationen braucht, wer im eigenen Garten die Welt retten möchte – oder wenigstens einen kleinen Teil dazu beitragen, sie zu bewahren. Im neuen Buch von Dave Goulson finden sie sich reichlich. Der Biologe und Insektenforscher ist Professor an der University of Sussex und einer der bekanntesten Naturschützer Englands. International bekannt geworden ist er mit Bestsellern wie „Und sie fliegt doch“ oder „Wenn der Nagekäfer zweimal klopft“. Seine Bücher sind eine Art Crossover vom Sachbuch zum erzählenden Nature Writing, lehrreich und unterhaltsam zugleich.

„Wildlife Gardening“ richtet den Fokus konsequent auf den Garten aus. Genauer gesagt auf die Insekten und deren Bedürfnisse an den Lebensraum Garten. So erläutert Goulson beispielsweise, welche Pflanzen sinnvollerweise angepflanzt werden sollten, warum selten gemähte Wildwiesen besser sind als kurzgeschorene Rasenflächen und wie sich vermeintliche Schädlinge mit Nützlingen im Gleichgewicht halten lassen. Dabei bleibt er wohltuend frei von ideologischer Eindimensionalität und schwingt keine Moralkeulen. Für die Küche wird auch kurzerhand mal ein Kaninchen erlegt. 

Dave Goulson: Wildlife Gardening. Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten, erschienen 2019 im Carl Hanser Verlag, 304 Seiten, gebunden, 24,00 Euro

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