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Kategorie: Pirschgang auf Abwegen – die Kolumne

Die Kolumne von Volker Pesch: immer humorvoll und manchmal auch bissig

Pirschgang auf Abwegen (VII)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Diese Schlagzeile müffelt etwas: „Wissenschaftler entwickeln Kuhtoilette“ ist der Leitartikel der Wirtschaftsseite überschrieben. Die üblichen Verbrauchertipps und Börsenberichte überblättere ich normalerweise, aber das weckt nun doch meine Aufmerksamkeit. Sofort erscheint vor meinem inneren Auge das Bild eines mächtigen Charolais-Bullen in der Hocke. Pressend. Schwarzbunte Mutterkühe tauschen während der Verrichtung durch die Trennwände muhend Neuigkeiten aus. Eine selbstverliebte Färse vom Alten Angler Rotvieh will gar nicht mehr weg vom Spiegel. Und dann die Kuhtoilette selbst! Die dürfte anatomisch (wohin mit dem Schwanz?) und statisch eine Herausforderung für jeden Industriedesigner sein.

Ich beginne zu lesen und werde baff enttäuscht: Die vermeintliche Kuhtoilette als solche ist wenig innovativ, eigentlich nur eine Latrine mit Eingangstür und Bodenablauf. Die Tiere lassen es raus wie evolutionär gewohnt. Ältere werden sich erinnern: So sahen die Toiletten auf französischen Campingplätzen noch in den 80er Jahren aus. Es geht den Verhaltensbiologen des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock auch gar nicht um die Toilette als solche. Vielmehr bringen sie als Tiertrainer Kälbern bei, sich gezielt und ausschließlich an diesem Ort zu lösen. Wenn die Viecher das dem Forschungsdesign entsprechend tun, bekommen sie ein Leckerli. Wenn nicht, eine kalte Brause. Iwan Petrowitsch Pawlow grüßt freudig aus dem Jenseits.

Wer sich jetzt daran erinnert, dass die Dummerstorfer im vergangenen Jahr ihren Leibniz-Status verlieren sollten, weil Zweifel an der Exzellenz des Instituts laut geworden waren, ist voll auf dem Holzweg: Es geht hier um gleich zwei der großen Gegenwartsthemen, nämlich Tierwohl und Klimarettung (also ausnahmsweise nicht um Corona). Rindviecher mit anständigen Hygienevorstellungen und entsprechendem Verhalten sind psychisch insgesamt stabiler und leiden weniger unter Klauen- und Eutererkrankungen. Und die ordnungsgemäße Entsorgung der Fäkalien, fein getrennt nach Urin und Kot, verringert die Ammoniakemmissionen und erfüllt somit eine EU-Richtlinie, die bis zum Jahr 2030 umgesetzt sein muss.

Inzwischen können die Forscher die zentrale Frage mit einem klaren Ja beantworten: Ja, Kühe lassen sich auf ein kontrolliertes Ausscheidungsverhalten trainieren. Das ist dem Artikel zufolge das Ergebnis der ersten Studie, die auf der Auswertung von bislang fünf Durchgängen mit jeweils acht bis zehn Kälbern beruht. Zuletzt, wird der stolze Projektleiter zitiert, hätten die Kälber „überwiegend“ die Toilette benutzt. 

Die alte Bauernweisheit, dass die Kuh kackt wohin sie will, ist damit also widerlegt. Jedenfalls für den überwiegenden Teil der ersten 40 bis 50 Probanden. Ob und inwieweit sich diese Erkenntnis auf die rund 990 Millionen Rinder, die aktuell weltweit gehalten werden, auswirken wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht könnte es auf mittlere Sicht den anhaltenden Rückgang der Beschäftigtenzahlen in der Landwirtschaft ausgleichen: Der Bedarf an Kuhtoilettentrainern dürfte in Zukunft riesig sein.

Pirschgang auf Abwegen (VI)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Nahezu täglich ploppt in meinem Facebook-Account die Werbung für den neuen Defender auf. Geht es Ihnen auch so? Wenn Sie im weltweiten Netz regelmäßig Seiten aufrufen, die mit Jagd und Natur zu tun haben, ist das sehr wahrscheinlich. Denn dann vermutet der Algorithmus hinter Ihrer IP einen potenziellen Defender-Fahrer (vielleicht auch eine Fahrerin, sofern der Algorithmus up to date ist und nicht Frauen nur rosafarbene Camouflage zugesteht).

Eine lang gehegte Befürchtung ist also Realität geworden: Land Rover legt die Legende neu auf. Das ist zumindest mutig. Das neue Ding sieht futuristisch aus, ein wenig so, als habe ein Cartoonist einen Defender für den 27. Teil von „Krieg der Sterne“ gezeichnet. Bei mir löst die Werbung allerdings in erster Linie Bauchschmerzen aus. Denn ein Defender ist ja nicht irgendein Auto. Ein Defender ist der Traum meiner Kindheit! 

Einmal war ich sogar kurz davor, diesen Traum wahr werden zu lassen. Vor ein paar Jahren habe ich im Autohaus ehrfürchtig die Stahlfelgen gestreichelt und in Gedanken aus dem Dachzelt einen Großen Kudu erlegt. Die Probefahrt brachte allerdings echte Ernüchterung: Als Fahrer sitzt man im Defender weit links. Wirklich sehr weit links. Zwischen Fahrer und Beifahrer hingegen fände noch der Kudu Platz. Außerdem rappelt und röhrt das Ding schon auf der Landstraße wie ein historischer LKW am Brennerpass. Nein – manche Träume sollte man besser ruhen lassen.

Ich habe mir dann einen Amarok gekauft. Entschuldigend sei angemerkt, dass zum Zeitpunkt meiner Bestellung VW-Dieselfahrzeuge noch als umweltfreundlich galten. Aber natürlich bräuchte ich eigentlich keinen allradgetriebenen Pick-up. Wo ich fahre, käme auch ein Nissan Micra durch. 

Warum also so eine „fette Försterkarre“ (O-Ton eines ansonsten geschätzten Kollegen)? Aus Spaß an der Freude, ich gebe es zu. Das Ding passt einfach zu meinen liebsten Beschäftigungen. Wenn ich eine Bienenbeute auf die Ladefläche wuchte oder die Büchse auf die Rückbank lege, freue ich mich darüber, dass es kein Micra ist. Ich finde das Motiv übrigens legitim und werde nicht mit meinem Psychotherapeuten darüber sprechen.

Vielleicht ist es ein wenig wie das Herz eines Löwen zu essen, auf dass dessen Kühnheit und Kraft auf den Erleger übergehen möge. Immerhin ist der Amarok in der Mythologie der Inuit ein Riesenwolf, ein einsames Raubtier, ein großer Nimrod. Und so fühle ich mich dann auch, wenn ich meinen Zweitonner auf den Aldiparkplatz lenke. Stark und unbesiegbar. Übrigens habe ich nur außenrum die Wald-und-Forst-Variante gewählt. Innendrin ist es Trendline mit Multitronic und Sitzheizung. Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste.

Pirschgang auf Abwegen (V)

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Vor vielen Jahren klapperte ein Freund aus den USA die Kölnischen Apotheken und Drogeriemärkte ab, auf der Suche nach vegetarischem Vitamin C. In seiner Heimat gebe es das in jedem Supermarkt, so berichtete er seinerzeit treuherzig, es sei einfach viel gesünder als das tierische Vitamin C. Ich war damals sehr amüsiert, habe mir aber nichts anmerken lassen, höflich wie ich nunmal war und bin.

Daran musste ich jüngst wieder denken, als ich die Weihnachts-Werbebroschüre des Shops der Wochenzeitung DIE ZEIT durchblätterte. Darin werden nämlich medizinische Sitzbälle feilgeboten, bezogen mit „veganem Leder“. Das hat mich erst einmal verblüfft. Aus Leder sind meine liebste Jagdhose, der Riemen an der Büchse, die Halsung meines Hundes. Leder, das ist die enthaarte und gegerbte Haut toter Tiere – wie kann etwas aus Leder und zugleich vegan sein? 

Aufschluss gibt die Artikelbeschreibung: Es handelt sich bei diesen Bezügen um schnödes Kunstleder. Also Kunstfasern mit einer Beschichtung aus Kunstharzen, Lösungsmitteln und Weichmachern. Grundstoff dieses Materials ist Erdöl, die chemische Verarbeitung ist hochgiftig, verbraucht viel Energie und verursacht Schadstoffemissionen in Wasser und Luft. Und das oft in Regionen der Erde, in denen es weder Arbeitsschutz noch Mindestlohn gibt. Von dort gelangt es auf weiten Transportwegen ans andere Ende der Welt, beispielsweise ins Lager des ZEIT-Shops.

Kunstleder ist also nicht nur irgendwie so 70er. Nicht nur Cocktailsessel und Sitzbezug eines Alfa Romeo Nuova Super. Kunstleder ist ein in vielerlei Hinsicht hochproblematisches Erzeugnis, von dem ich bis dato annahm, es habe im modernen Lifestyle seine Berechtigung verloren. Aber verbal gepimpt scheint es wieder zu gehen: „veganes Leder“ – das klingt natürlich, nach bewusstem Leben, nach Ökologie und Nachhaltigkeit. Dabei ist „vegan“ die Beruhigung des Gewissens und „Leder“ das Qualitätsversprechen. Für diesen hochwertigen Sitzball muss kein Tier sterben. 

Mich wundert, dass die Werbestrategen sich nicht häufiger dieses Stilmittels bedienen, um minderwertige Ersatzprodukte sprachlich aufzuwerten. Ich denke beispielsweise an Kugelschreiber aus vegetarischem Porzellan (PVC) oder Kerzen aus bienenfreundlichem Wachs (Paraffin). Da geht noch was! Allerdings könnte sich das zuletzt als wenig nachhaltig erweisen. Denn ZEIT-Leserinnen und-Leser gelten ja gemeinhin als gebildet. Sie dürften bemerken, dass all diese Produkte dereinst aus den Schloten von Müllverbrennungsanlagen aufsteigen werden oder in den Mägen von Möwen und Delphinen landen. Anders als Dinge aus echtem Leder.

Pirschgang auf Abwegen (IV)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Die Internationale Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation hält den Verzehr des roten Muskelfleischs von Säugetieren für krebserregend. So ging die Meldung vor zwei oder drei Jahren in die Welt hinaus. Und so ploppt sie seitdem immer wieder mal auf, besonders häufig in den Medien missionarischer Vegetarier oder Veganer. Um die Fleischverächter an dieser Stelle gleich vor Bluthochdruck und dessen schlimmen Folgen zu bewahren, sage ich es in aller Deutlichkeit: Wer kein Fleisch essen möchte, warum auch immer, soll es meinethalben gerne lassen – chacun à son goût, sagt der Franzose, und die Französin dürfte ihm da beipflichten.

Die Warnung gilt besonders für Fleisch in verarbeiteter Form, weniger für Steak oder Braten. Es geht also um die Wurst! Und zu der haben ja gerade wir Deutsche eine besonders enge Beziehung. Unsere Wurst ist Distinktionsmerkmal (bayerische Weißwurst!) und Kulturerbe (rheinischer Flönz!). Über 1500 Sorten soll es hierzulande geben. Aber wo hört eigentlich Geschmacksrichtung auf und wo fängt Sorte an? Wer hat all die Würste probiert und gezählt? Und wieso lebt der noch?

Vermutlich deswegen, weil Zahlen trügerische Gesellen sind. Genau besehen ist die Einschätzung der WHO nämlich weit weniger dramatisch. Wer zu viel rotes, verarbeitetes Fleisch isst, so der Tenor, erhöht geringfügig das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Darauf deuten erste statistische Korrelationen hin, wobei die Zusammenhänge noch nicht ganz erforscht sind. Ziemlich sicher ließe sich das gleiche auch für Tofuschnitzel und Falafeldöner nachweisen, statistisch, meine ich. Wer zu viel verarbeitetes Soja oder Produkte aus Kichererbsenmehl isst, lautete die Meldung dann, erhöht geringfügig das Risiko, an Krebs zu erkranken. 

Doch wie viel ist eigentlich zu viel? Als Freund der genussvollen Mäßigung empfehle ich an dieser Stelle, sicherheitshalber auf die bunte Grillfleischmischung vom Discounter und Bärchenwurst aus Wanne-Eickel zu verzichten. Essen Sie stattdessen lieber Obst, Gemüse und Nüsse! Aber legen Sie sich gelegentlich beherzt ein paar Medaillons aus der Damwildkeule auf den Grill, garen Sie den Rehrücken zartrosa und würzen Sie ihre grobe Bratwurst vom Schwarzwild nach Art einer lombardischen Salsiccia. Das ist gesund und macht glücklich.

Pirschgang auf Abwegen (III)

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Ich überlege ernsthaft, mich zum zertifizierten Waldbademeister ausbilden zu lassen. Handwerk hat goldenen Boden, heißt es schließlich, und der Meistertitel sicherte die Qualität meiner Arbeit. Sollte es demnächst für Schreiber wie mich keine Publikationsmöglichkeiten mehr geben, weil Peter Wohlleben bundesweit die Exklusivrechte an sämtlichen Naturthemen übertragen worden sind, hätte ich noch ein festes Standbein.

Besser wäre natürlich ein Waldbadediplom, immerhin hat das deutsche Diplom einen hervorragenden Ruf in der ganzen Welt. Wenn meine Lateinkenntnisse noch verlässlich sind, wäre das ein Dipl. nat. silv. (natare in silva). „Da hat man was in der Hand“, würde Evelyn Hamann sagen, und ich pflichte ihr da voll und ganz bei. 

Sie halten das für einen Scherz? Mit Verlaub, dann sind Sie aber schlecht informiert! Denn Waldbaden liegt voll im Trend. In Japan kennt man es schon lange als shinrin-yoku, und als forest therapy oder eben Waldbaden schwappt es seit ein paar Jahren mit dem Schwung der Erleuchtung auch in unsere Körper, Wälder und Therapieangebote über.

Wissenschaftler der Uni München haben übrigens herausgefunden, dass da im Wald wirklich was mit den Badenden passiert. Studien zufolge wirken das gedämpfte Licht, die Gerüche (Terpene!), das Rascheln von Laub und die sauerstoffreiche Luft beruhigend und ausgleichend, stärken die Abwehrkräfte und verbessern die Schlafqualität. Biochemisch gesehen steigt der Melatoninspiegel im Blut und sinkt der Kortisolspiegel. Ob und inwieweit Waldbaden auch der Krebsvorsorge dient, wird derzeit erforscht.

Leider habe ich noch keine passenden Studiengang gefunden. Die Deutsche Akademie für Waldbaden & Gesundheit beispielsweise bildet immerhin zum „Kursleiter für Waldbaden“ aus. Das klingt mir aber zu stark nach Volkshochschule. Da interessierte mich eher die Weiterbildung zum „Natur-Resilienz-Trainer“, schon des Fremdworts wegen. Vielleicht werde ich mich dort anmelden.

Nun werden Jägerinnen und Jäger möglicherweise mit den Schultern zucken. Natürlich ist es entspannend und beglückend, im Wald zu sein – ja und? Wer einen echten Grund dazu sucht, sollte das grüne Abitur machen, da ist Waldbaden inklusive. Ich wollte Sie auch nur vorwarnen: Neben Joggern, Spaziergängern, Pilzsammlern, Motocrossern und Geo-Cachern werden Sie im Revier zunehmend auch auf Waldbader treffen. Es besteht aber Grund zur Hoffnung, dass die sich eher still verhalten.

Pirschgang auf Abwegen (II)

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Heidi Klum und Tom Kaulitz haben auf der Sonneninsel Capri geheiratet. Anfang August hatten sie endlich ein Foto für uns. Auf Instagram. Zu sehen ist darauf, wie sich das frischvermählte Paar küsst, unter Blumengirlanden, die ein wenig an die Wimpelspinnen ostdeutscher Autohäuser erinnern. Sie im opulenten Kleid mit schleierbedecktem Haupt und freien Schultern, er im weißen Anzug. Hunderttausende Likes und zahllose Kommentare hat das dem Jubelpaar eingebracht, und das binnen weniger Minuten. 

Sie fragen sich, was das mit Natur und Jagd zu tun hat? Das will ich Ihnen gerne sagen: nichts! Rein gar nichts! Heidi Klum (46) war Model, bevor sie bei ProSieben Fernsehkarriere gemacht hat. Und Tom Kaulitz (29) schrumpst die Gitarre in der Teenie-Band Tokio Hotel. Mit Natur und Jagd haben beide meines Wissens nichts am Hut. Allenfalls die Haarpracht des Bräutigams könnte als „naturbelassen“ durchgehen (kennen Sie Fredda die Berghutze? Nicht? Dann lesen Sie unbedingt Walter Moers’ Käpt’n Blaubär!). Und eine Kommentatorin bei Instagram bezeichnete das Hochzeitskleid als „Kartoffelsack“, hier ließe sich also mit etwas Phantasie ein landwirtschaftlicher Bezug herstellen. 

Nun, de gustibus non est disputandum, das läge mir auch fern. Ich will auf einen anderen Punkt hinaus. Falls Sie bis jetzt geglaubt haben, die Hochzeit zweier IIIb-Promis werde nur in Bravo und Frau im Spiegel breitgetreten, dann haben Sie sich geirrt! Auch seriöse Zeitungen und Magazine, Onlinedienste, Fernsehsender und natürlich die Sozialen Medien überboten einander mit Berichten, Kommentaren, Fotos und mehr oder weniger wilden Spekulationen. Wo auch immer ich rund um den Hochzeitstermin nach Naturthemen suchte, fand ich nur – Heidi und Tom. Ist das nicht deprimierend?

Aber schließlich wurde noch ein Nachspiel berichtet. Das frischvermählte Paar soll in der berühmten Blauen Grotte gebadet haben, was natürlich streng verboten und bußgeldbewehrt ist. Wenn es denn stimmt, was angesichts des alltäglichen Gedränges vor und in der Grotte eher unwahrscheinlich ist, werden sie das Geld verschmerzen. Mir hilft es, am Ende dieser Kolumne doch noch die Kurve zur Natur zu kriegen. Denn die Blaue Grotte ist ein Naturmonument erster Güte. Wenn darin jetzt nicht mehr nur singende Grottenbootsführer herumschippern, sondern auch noch deutsche Traumpaare baden gehen, wird es dem einst mystischen Ort endgültig den Garaus machen.  

Pirschgang auf Abwegen (I)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Neulich sah ich die Werbeanzeige eines namhaften Herstellers von Jagdoptiken. Dessen Name sei an dieser Stelle höflich verschwiegen. Hier wurde das Neueste vom Neuen beworben, was ja nicht ungewöhnlich ist, denn Neuheit ist an sich ein starker Kaufanreiz und hält die Ausrüstungsindustrie am Leben. In diesem Fall stutzte ich aber sofort, denn angepriesen wurde hier allen Ernstes ein Drückjagdglas mit „revolutionärer Minimalvergrößerung von 0,75“.

Von Vergrößerung zu sprechen ist da in der Tat revolutionär, dachte ich und denke ich noch heute, aber ich will nicht kleinlich sein. Auch Werbetexter haben bessere und schlechtere Tage. Und ich verneige mich vor den Ingenieuren!

Neu und spektakulär an diesem Fernglas ist nämlich nicht nur die Verkleinerung des Fernen. Auch ein Sehfeld von sage und schreibe 56 Metern auf 100 Meter lässt mich staunen. Ich rechne mir aus, dass eine flüchtige Sau mit 25 Stundenkilometern glatte 8 Sekunden bräuchte, dieses Sehfeld zu durchkreuzen. Im leichten Troll wären es runde 20 Sekunden. Das verschafft Gelassenheit auf dem Stand!

Sie könnten eine mit solcherart Glas ausgerüstete Waffe einfach auf der Brüstung von Bock oder Kanzel in Richtung des vermuteten Wechsels fixieren und abwarten. Früher oder später wird ein Schweinchen in den superfeinen Leuchtpunkt laufen – und Sie müssen nur noch den Finger krumm machen.  

Mich erinnert das an die alte Geschichte, wie man Krokodile fängt. Die kennen Sie nicht? Dann sei sie kurz erzählt. Immerhin hat die Geschichte ja auch mit Natur & Jagd zu tun, selbst wenn sie eher in die Rubrik Auslandsjagd gehört und also eigentlich eines Herkunftsnachweises bedürfte, den ich leider nicht liefern kann.

Zum Fangen eines Krokodiles brauchen Sie ein langweiliges Buch sowie Lupe, Pinzette und Streichholzschachtel. Setzen Sie sich irgendwo hin, wo mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Krokodil zu erwarten ist, und lesen Sie in dem Buch. Weil es so langweilig ist, werden Sie bald einschlafen. Wenn dann das Krokodil kommt, wird es ebenfalls zu lesen beginnen und einschlafen. Da Sie zuerst eingeschlafen sind, werden Sie auch zuerst aufwachen. Dann betrachten Sie das Krokodil durch die umgekehrte Lupe, greifen es mit der Pinzette und tun es in die Streichholzschachtel.

Probieren Sie es ruhig einmal aus: revolutionärer kann eine Minimalvergrößerung kaum sein! Und deutlich preiswerter als ein neues Drückjagdglas ist das allemal.

© 2024 Dr. Volker Pesch

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