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Kategorie: Fundstücke (Seite 1 von 2)

Fundstücke – das sind kurze Gedanken zu oder Kommentare von Medienfunden des Tages

Hanebüchen

Im Beitrag „Jäger*innen“ im Magazin JÄGER Nr. 1/2021 (S. 32-34) sorgt sich Florian Asche um die Waidmannssprache. Dass dieser Autor kein Leisetreter ist, habe ich schon an anderer Stelle bemerkt (siehe Paranoia der Medien). Diesmal spricht er anlässlich eines ministeriellen Schreibens, in dem das Sternchen-Symbol als geschlechtsneutrale Pluralform genutzt wird, allen Ernstes von einem „Sprachputsch“ des „linksalternativen Establishments von Linken bis zur CDU“. Und unter Verweis auf den Duden droht er dem Verfasser, einem Sachbearbeiter, eine Dienstaufsichtsbeschwerde an. 

Man muss kein Freund des Gender-Sternchens sein, um diesen Beitrag hanebüchen zu finden. Gibt es beim JÄGER keine redaktionelle Prüfung eingesandter Manuskripte? 

Zur Sache sei in aller Kürze angemerkt: 
1. Deutsch ist eine lebende Sprache. Sie verändert sich mit der Kultur, in der sie gesprochen wird. Sprache bildet Wirklichkeiten ab und schafft sie fortlaufend über Begriffe, Denk- und Auslegungsmuster.
2. Der Duden schreibt die deutsche Sprache nicht vor. Er notiert lediglich deren Entwicklung. Sollte sich das Gender-Sternchen durchsetzen, wird es dereinst auch im Duden stehen.
3. Die deutsche Sprache hat sich in einer männerdominierten Kultur entwickelt. Die Hälfte der Menschen – nämlich die Frauen – werden darin in vielerlei Hinsicht nicht abgebildet, unter anderem in der allgemeinen Pluralbildung.
4. Gleiches trifft auch für jene Menschen zu, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen lassen. 
5. Heute sind Frauen gleichberechtigt und in allen Lebensbereichen präsent, und auch Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten müssen sich nicht mehr schamvoll verstecken. Diese Veränderung unserer Kultur ist zuletzt rasant verlaufen – vielleicht so rasant, dass manch einer nicht mitgekommen ist.
6. Über die Form der geschlechtsneutralen Pluralbildung können und sollten wir sachlich streiten, zumal die derzeit praktizierten Formen allesamt recht sperrig sind: Sternchen, Unterstrich, Binnen-I oder auch das angehängte X lassen sich weder flüssig schreiben noch sprechen. Wirklich geschlechtsneutral und zugleich sprachlich schön wäre vielleicht eine dritte, ganz neue Pluralform, etwa ein an den Wortstamm gefügtes „-es“, wie wir es von eingedeutschten lateinischen Wörtern kennen (z.B. „Doktores“).

Wenn in ministeriellen Schreiben Gender-Sternchen genutzt werden, ist das also ganz sicher kein Grund zur Sorge. Das Amtsdeutsch war ohnehin nie für sprachliche Schönheit bekannt. Die deutsche Sprache bleibt lebendig und wird ebenso weiterleben wie die Waidmannssprache. Der Untergang des Abendlandes bleibt wieder einmal aus. 

Jagd zum Wohl des Mannes?

Welch haarsträubender Kommentar in der heutigen Ausgabe der Ostseezeitung! Bar jeglicher Sachkenntnis und nach offensichtlich mehr als einseitiger Recherche schreibt sich der Autor – immerhin Chefreporter der Zeitung – seine Vorurteile von der Leber.

Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll: Bei seinem völlig verzerrten Bild der Jägerschaft? Da hätte ein kurzer Blick auf die Seiten des DJV genügt (z.B. in diese Pressemitteilung). Bei seiner offensichtlichen Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen und deren Bedeutung in der jagdlichen Praxis? Man denke nur an die aufwändige Aufstellung, behördliche Genehmigung und waidgerechte Erfüllung von Abschussplänen nach Wildarten, Altersklassen und Geschlecht. Oder bei seinen wildbiologisch eher abenteuerlichen Vorstellungen vom Wohlbefinden der Hirsche?  

Ostsseezeitung, Greifswalder Ausgabe, 7./8.12.2019, S. 6

Wahrscheinlich ist dem Verfasser gar nicht bewusst, dass er sich in der – vor dem Hintergrund des Klimawandels wieder neu entbrannten – Wald-Wild-Debatte vor einen Karren hat spannen lassen, und zwar von denjenigen, die in Wildtieren nur Schädlinge sehen. Im kommentierten Beitrag (gleiche Ausgabe, S. 9) geht es nämlich um die Frage der Notwendigkeit einer verlängerten Jagdzeit auf Rehwild, die derzeit in Mecklenburg-Vorpommern kontrovers debattiert wird, und da gibt es durchaus sachliche Gegenargumente, gerade aus Sicht des Tierschutzes (siehe dazu meinen Beitrag „Ohne Hemmungen auf Rehwild?“). Aber statt mit journalistischem Handwerkszeug die Argumente aller Seiten zusammenzutragen, diffamiert der Verfasser kurzerhand die gesamte Jägerschaft und erklärt die Jagd zu einem blöden Männlichkeitsritual.

Warum es im Kommentar dann plötzlich um Hirsche geht, bleibt offen. Denn auch in Mecklenburg-Vorpommern ist der Hirsch nicht der Vater vom Reh.

Landwirtschaft am Pranger

Die Medien berichten heute über eine Sternfahrt der Landwirte aus Mecklenburg-Vorpommern: Über 1000 Protestierende mit rund 550 Schleppern sind gestern zu einer Kundgebung in den Rostocker Stadthafen gekommen (Bild: Georg Scharnweber, SVZ). Ihr Protest richtete sich gegen das sogenannte Agrarpaket, mit dem die Bundesregierung einen verspäteten Schnellschuss in die Debatten um Klima-, Tier- und Artenschutz gesemmelt hat. Bundesweit fanden zeitgleich ähnliche Protestaktionen statt.

Das ist ein beeindruckendes Zeichen einer Branche am Pranger. Die Landwirte wollen nicht länger die „Prügelknaben der Nation“ sein, so die Organisatoren. Das kann man verstehen. Wenn dann allerdings gewarnt wird, das Agrarpaket bedrohe das „bäuerliche Idyll“, lasse „Bauernhöfe“ und „kleine Familienbetriebe“ sterben, bald gebe es keine „Kühe auf der Weide“ mehr und keine „regionalen Lebensmittel“ in „Hofläden“ – dann reibt man sich doch verwundert die Augen.

Bäuerliches Idyll? Fast 90 % der Betriebe in MV bewirtschaften mehr als 200 Ha Land, über 40 % sogar mehr als 1000 ha. Im Schnitt arbeiten darauf nur 1,2 Vollbeschäftigte pro 100 ha. In der Tierhaltung finden sich durchschnittlich 270 Rinder und 2155 Schweine. Betriebe mit ökologischem Landbau machen nur rund 16 % aus und sind überwiegend auch keine Kleinbetriebe (Zahlen aus der Agrarstrukturerhebung 2016). Das als „bäuerliches Idyll“ zu bezeichnen ist wohl eine contradictio in adjecto, ein innerer Widerspruch im Begriff.

Aber nichtsdestotrotz ist das Anliegen der Landwirte verständlich! Die klima-, tier- und artenschutzbesorgten Verbraucher zeigen nämlich mehrheitlich keine Bereitschaft, für Weißmehlprodukte, Milch oder Fleisch angemessene Preise zu zahlen. Und die (nationale und internationale) Politik versäumt es seit Jahren, hier besonnen steuernd einzugreifen. Die Landwirte haben in den vergangenen Jahren schon erhebliche Anstrengungen für mehr Tierwohl in den Ställen und weniger Gifte auf den Äckern unternommen, was selten irgendwo Erwähnung und nie Anerkennung findet. Und es ist den Betrieben kaum zuzumuten, in immer schnellerer Folge immer neue Sauen durch die Dörfer zu jagen. Sonst kommen unsere Lebensmittel tatsächlich irgendwann aus Regionen dieser Welt, in der es für Tier- oder Artenschutz nicht einmal Worte gibt.

MeLa, Meler, am Melsten

Heute beginnt in Mühlengeez bei Güstrow die 29. MeLa, die alljährliche Agrarschau des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Rund 1000 Aussteller werden dort sein und voraussichtlich über 70.000 Besucherinnen und Besucher. Tiere, Technik, Nahrungsmittel – Landwirtschaft zum Anfassen ist ganz sicher auch in diesem Jahr ein Besuchermagnet.

Für die Medien gibt sich die Veranstaltung total klimafreundlich. Wäre das irgend möglich, hätte Landwirtschaftsminister Backhaus ganz sicher Greta Thunberg zur Eröffnungsveranstaltung eingeladen oder wenigstens eine Videobotschaft überbringen lassen. Die Rolle müssen nun die Bauern- und Bienenverbandsvertreter selbst spielen.

Tier der MeLa 2019 ist das Rheinisch-Deutsche Kaltblut – ein Arbeitspferd, das längst in der Landwirtschaft keinen Platz mehr hat und heute nur noch von wenigen Liebhabern alter Rassen gezüchtet wird. Im Unterschied zum Hochleistungsvieh, das im internationalen Wettbewerb um die dicksten Keulen und prallsten Euter steht. Auf dem Außengelände werden auch historische Landmaschinen präsentiert, aber im Zentrum der Aufmerksamkeit dürfte die neueste Generation von Nutzfahrzeugen nebst sämtlicher Gerätschaften für Bodenbearbeitung und chemischen Pflanzenschutz stehen (Stichwort: SmartFarming). Der Imkerverband wird seinen Stand möglicherweise mit einem Lüneburger Stülper dekorieren, jenem Strohkorb, der sinnbildlich für die gute alte Zeit steht. Um dann mit dem „Bienofon“ in eine moderne Maximalertragsbeute zu horchen.

Nein – das historisierende Kolorit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die MeLa auch 2019 dem Dreiklang von Leistungssteigerung, Effizienz und Kostenminimierung folgt. Alles andere ist im besten Fall nettes Beiwerk.

Wolfsland MeckPomm

In einer Pressemitteilung vom 5.09.2019 informiert das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern über den Stand der Populationsentwicklung der Wölfe. Demnach haben 3 neue Rudel in diesem Jahr Nachwuchs bekommen, damit lebten jetzt 7 Rudel (Jasnitz, Kaarzer Holz, Retzow-Jännersdorfer Heide, Nossentiner Heide, Müritz-Nationalpark, Torgelow, Ueckermünder Heide) und 2 Wolfspaare (Lübtheen, Billenhagen) im Land. Zudem gebe es weitere Vorkommen mit noch unklarem Status. (Foto: Wikipedia)

MeckPomm ist also nicht mehr Wolfserwartungsland, sondern echtes Wolfsland. Und das weniger als 2 Jahrzehnte nach den ersten Einzelsichtungen der neuen Zeit. Die gesellschaftliche Wahrnehmung und die politische Gestaltung dieser Entwicklung hinken allerdings hinterher wie ein Quasimodo im Buchenrauschen. In der vollständig von Menschenhand geformten Kulturlandschaft wird sich eine aktive Steuerung nicht vermeiden lassen, gerade wenn und weil die Rückkehr der Wölfe auf Dauer mehrheitlich begrüßt oder wenigstens akzeptiert werden soll.

Faszinierende Bilder zum Wolf bietet der neue Bildband Das Leben unserer Wölfe. Informationen aus Mecklenburg-Vorpommern finden sich auch auf der Internetseite des Beauftragten für das Wolfsmanagement Norman Stier unter www.wolf-mv.de.

Schutz durch Nutzung

Im aktuellen Heft von bienen & natur, dem Praxismagazin für Imker und Bienenfreunde, weist Bernhard Heuvel darauf hin, dass bei alten Obst- und Gemüsesorten oder gefährdeten Nutztierrassen ganz selbstverständlich das Prinzip „Erhaltung durch Nutzung“ gelte (ab Seite 7). Solch ein ausgeglichenes Geben und Nehmen zwischen schützenswerter Art und Anbauer bzw. Halter sei nachhaltig, schreibt Heuvel, der in diesem Zusammenhang eine Bienenhaltung ohne Honiggewinnung kritisiert.

Wir Jäger kennen das als Naturschutzkonzept unter dem Signet „Schutz durch Nutzung“. Wer nachhaltig Wildtiere bejagt und auf lange Sicht bejagen will („nutzt“), tut das artgerecht und schützt deren Habitate – das heißt: die Gesamtheit ihrer Flora und Fauna. Das eigene Interesse ist Motivation, die Jagd nicht nur auf maximalen Ertrag auszurichten. Dagegen stehen Schutzkonzepte, die keine Nutzung vorsehen.

Heuvels Hinweis geht in die richtige Richtung. Allerdings dürfte in der heutigen Imkerei überwiegend die maximale Honiggewinnung im Vordergrund stehen. Jeder Tropfen wird geerntet, und die Bienen überwintern auf billigem Zucker. Imkerei ist leider allzuoft eine Art Massentierhaltung im Baukastensystem und alles andere als artgerecht. Nicht wenige vermuten, dass die Anfälligkeit der Honigbienen für Krankheiten und Parasiten auch hausgemacht ist.

Der goldene Weg dürfte wie so oft durch die Mitte führen: weder Verzicht auf jegliche Honiggewinnung, noch Orientierung am maximalen Ertrag. Auch in artgerechter Bienenhaltung lässt sich durchaus Honig ernten.

Unglaubwürdig

Wie sich mit einer fetten Schlagzeile auf dem Titel die Glaubwürdigkeit der Jägerschaft torpedieren lässt, zeigt die jüngste Ausgabe der DJZ: „Top-Trophäen – Füttern hilft!“ Eine echte Steilvorlage für alle, die der Jägerschaft vorwerfen, aus Trophäengeilheit zu handeln und mit der Hege den notwendigen Waldumbau zu behindern (siehe hier zuletzt die Beiträge Ohne Hemmungen auf Rehwild? und Jagdkunde).

Das wütende Editorial zum Heft von Chefredakteur Rolf Roosen ist zwar in der Sache durchaus nachvollziehbar, aber sprachlich alles andere als eine Einladung zum Diskurs. In unserer Zeit, deren Geist nicht gerade auf Seiten der waidgerechten Jagd steht, ist das wenig hilfreich.

Ohne Hemmungen auf Rehwild?

In Heft 1/2019 der „Ökojagd“, dem Magazin des Ökologischen Jagdverbandes, schreibt Georg Meister über das Reh als „Zuchtobjekt“ einer trophäenorientierten Jägerschaft. Der 1929 geborene Forstwissenschaftler und Sachbuchautor ist Mitgründer und Ehrenmitglied des ÖJV Bayern.

Meister schlägt einen weiten Bogen vom Leben der Rehe in den europäischen Urwäldern über die Folgen der Sesshaftwerdung des Menschen, die populationsdynamischen Auswirkungen der jagdrechtlichen Änderungen von 1848 und mit dem Reichs- und Bundesjagdgesetz bis in die Gegenwart. Ein langer Artikel – dessen Ergebnis nicht wirklich überrascht: Ein effektiver Waldumbau von „Nadelholzplantagen“ zu „stabilen Mischwäldern“ werde nur gelingen, wenn endlich der Grundsatz „Wald von Wild“ durchgesetzt werde. Der müsse eigentlich besser „Zukunftswald vor Trophäenjagd“ lauten, schreibt Meister. „Alle Hemmnisse“ seien abzubauen, die eine „rasche Anpassung des Rehwildbestandes an die Landeskultur“ behinderten.

Es ist die bekannte ÖJV-Position, wie sie zuletzt beispielsweise auch Eckhard Fuhr in seinem Buch „Jagdkunde“ vertritt (siehe Rezension in diesem Blog). Als solcherart „Hemmnisse“ gelten das sachliche Verbot des Schrotschusses auf Rehwild, jegliche Beschränkungen der Freigabe bei den Drückjagden und die herbstliche Schonzeit für Böcke.

Waldpolitisch und wildbiologisch kann man vielleicht so argumentieren. Der Schrotschuss auf kurze Distanz tötet tierschutzgerecht (er war früher gang und gäbe und ist in anderen Ländern erlaubt), Drückjagden wären hinsichtlich der Reduktion des Rehwilds zweifellos effizienter, und biologisch ist es ohne Belang, ob der Bock mit oder ohne Gehörn erlegt wird. In vielen der neueren Landesjagdgesetze haben diese Positionen bereits Niederschlag gefunden.

Aber Rehe sind nicht nur „kleine braune Waldscheren“! Über den waldpolitischen und wildbiologischen Argumenten stehen tierschutzrechtliche. Rehe sind schmerzempfindliche Wirbeltiere, und die Vermeidung von Tierleid ist auch jagdlich ein hohes Gut. Wenn der Schrotschuss erst erlaubt ist, wird die eine oder andere Garbe auf 50 und mehr Meter abgefeuert werden, auch auf flüchtige Stücke, sei es in Selbstüberschätzung oder schlicht im Eifer des Gefechts. Die Tötungswirkung der Schrote sinkt mit jedem Meter, die Verletzungsgefahr steigt. Und die Nicht-Freigabe von Böcken auf der Drückjagd diszipliniert die Schützen, denn sie zwingt zu genauem Ansprechen und überlegter Schussabgabe. Wenn nicht Naserümpfen und Strafzahlungen drohen, werden nicht nur Böcke auf der Strecke liegen, sondern auch Ricken ohne zugehörige Kitze und viel zerschossenes Wild, das kaum noch zu verwerten ist.

Für den Einzelansitz spricht sicherlich wenig dagegen, die Schonzeit für Böcke zu verkürzen, zumindest biologisch. Wer in Trophäen ohnehin nur Staubfänger sieht, mag seine Böcke im Januar schießen. Wer darin Erinnerungsstücke, Respektsbezeugungen oder schlicht gutes Waidwerk sieht, kann ja auch weiterhin ab Mitte Oktober den Finger gerade lassen. Dem Wald ist’s so oder so egal: auch beim Rehwild sind die männlichen Stücke nicht die Zuwachsträger.

 

Paranoia der Medien?

Florian Asche ist kein Leisetreter. Im Gegenteil: wer Bücher mit Titeln wie „Jagen, Sex & Tiere essen“ oder „Kannst Du mal die Leber halten?“ (ein Kinderbuch!) veröffentlicht, liebt wohl den schwungvollen Auftritt. Es darf vermutet werden, dass er die medialen Regeln der Aufmerksamkeit ganz genau kennt und mit sicherer Hand bedient. Diese Vermutung nährt auch seine Kolumne „Asches letzter Bissen“ in Wild und Hund. Titel der aktuellen Folge: „Paranoia 2019. Unsere Freude am Weltuntergang.“ (WuH Nr. 16/2019, S. 112)

Umso mehr überrascht es, wenn ausgerechnet Asche darin zur allgemeinen und undifferenzierten Medienschelte anhebt. Die Ernteprognose 2019 des Deutschen Bauernverbandes im Wirtschaftsteil der FAZ reicht ihm als zentrale Wissensquelle, um den Klimawandel zu leugnen und kritische Medien wie ZEIT oder taz als politische Kampfinstrumente zu diffamieren. Und mit Verweis auf die historische Borkenkäferkalamität nach dem Krieg relativiert er die aktuelle Problematik. Seine Kolumne gipfelt in der Aussage, Fakten seien mittlerweile nur eine „Belastung“ für die Medien. In wessen Horn stößt er denn da?

Sicher gilt immer noch die alte Regel, „only bad news are good news“, und bekanntermaßen schlägt manche Schlagzeile weit über die Zeile hinaus. Im konkreten Fall könnte man aber leicht entgegnen, eine überwältigende Mehrheit der seriösen WissenschaftlerInnen und in der Folge auch WissenschaftsjournalistInnen gehe heute nunmal davon aus, dass es den Klimawandel gebe und wir aktuell dessen Vorboten und Zeichen erlebten. Ergo sagten und schrieben sie das auch so. Übrigens auch in der FAZ.

Aber hier geht es um einen anderen Punkt: Die pauschale Medienschelte ist einfach ärgerlich und sachlich falsch! Sie steht auch „Wild und Hund“ nicht gut zu Gesicht. Niemals zuvor in der Geschichte und nirgends sonst hatten und haben Menschen mehr, unterschiedlichere und freiere Medien zur Verfügung als hier und heute. Wer sich ausgewogen informieren will, hat dazu alle Möglichkeiten, in Text, Bild und Ton, analog oder digital, monographisch oder interaktiv. Er/sie muss nicht die ZEIT lesen, und niemand zwingt zur Lektüre der taz. Aber die Ernteprognose des DBV allein wird wohl eher nicht ausreichen, sich ein fundiertes Bild zu einem komplexen Problem wie dem Klimawandel zu machen.

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