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Kategorie: Fundstücke (Seite 2 von 2)

Fundstücke – das sind kurze Gedanken zu oder Kommentare von Medienfunden des Tages

Initiative Waidgerechte Jagd

Seit kurzem online ist die Initiative „Waidgerechte Jagd“ auf https://waidgerechte-jagd.de. Sie will ein aufgeklärtes Bild der Jagd vermitteln, will Jägern einen „Wertekompass für ihre jagdliche Praxis“ und Nichtjägern „Informationen über eine aufgeklärte und moderne Form der Jagd“ bieten. Mithin eine Jagd, „die durch aktiven Tier- und Naturschutz Lebewesen, Gesellschaft und Jäger eint.“ Partner sind u.a. Halali, Jaeger und Pirsch sowie diverse Markenhersteller und Händler wie Frankonia (verantwortlich laut Impressum).

Klingt nach einer guten Idee! Einstweilen finden sich auf den Seiten einige Fragen & Antworten, die sich vor allem an Nicht-Jäger richten dürften (z.B. „Sind Jäger Mörder?“), 12 Leitsätze zur Zukunft der Jagd und die drei Siegerfilme des Sophie Award 2019, dem Jagdfilm-Wettbewerb von DJV und Jagdstolz.

Elch im Sommerloch

Ein Elch hat bei Pasewalk die grüne Grenze überschritten und wandert nun durch Vorpommern. Das berichten seit gestern mehrere Medien (z.B. Ostseezeitung, der Nordkurier und Die Welt). Alle Jahre wieder kommen Jungbullen aus Polen ins Land, um sich eigene Reviere und Elchtiere zu suchen – vergeblich! Denn in Mecklenburg-Vorpommern sind zwar die Sommerlöcher ausgedehnt, nicht aber die Feuchtgebiete. Elche lieben einfach weite und gemischte Habitate mit Wald, Offenland und Wasser. Mais- und Ratschläge sind weniger ihr Ding.

Es ist also unwahrscheinlich, dass wir nach Biber und Wolf einen weiteren „Rückkehrer“ begrüßen können. Meist verschwinden die Elche wieder ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht sind. Weniger glückliche Exemplare werden von Zeitungsleserinnen und -lesern „Pommes“ getauft und landen im Rostocker Zoo (so geschehen 2017).

Wem gehört die Natur?

2018 sorgte der Film „Auf der Jagd – wem gehört die Natur?“ von Alice Agneskirchner für Diskussionen nicht nur in der Jägerschaft (Trailer bei YouTube). Mittlerweile ist er als DVD, Blue-ray und Stream erhältlich (z.B. bei amazon). Grund genug, ihn vom heimischen Sofa aus noch einmal anzuschauen.

Laut offizieller Ankündigung ist der Film „wie ein spannender Waldspaziergang, bei dem man unverhofft einer Seite unserer Natur begegnet, die einem sonst verborgen bliebe“. Letzteres kann für Jäger wohl kaum gelten. Aber die langen Kameraeinstellungen, spärlichen Wortbeiträge und seltenen Kommentare lassen einen durchaus eintauchen in den Wald – und über 100 Minuten wohlig im Sofa versinken. 

Agneskirchner zeigt den Wald als bedrohten Lebensraum des Wildes, Kapital der Forstwirtschaft und Jagdrevier von Mensch und Wolf. Und das durchaus ausgewogen: keine der widerstreitenden Positionen wird verächtlich gemacht, niemand wird vorgeführt, weder Jäger noch Forstwirte oder andere Protagonisten werden lächerlich gemacht. Die Jägerschaft kommt sogar ausgesprochen gut weg, auch weil die Jägerinnen und Jäger im Film allesamt ihre Positionen reflektieren und besonnen argumentieren.

Es darf allerdings bezweifelt werden, dass Zuschauerinnen und Zuschauer ohne Vorkenntnisse über die hier thematisierten Konflikte – beispielsweise die Wald-Wild-Problematik oder die Notwendigkeit eines ausgewogenen Altersklassenaufbaus in Wildtierpopulationen – dem Film in allen Teilen folgen können. Hier wären vielleicht doch erklärende Kommentare sinnvoll gewesen, auch wenn sie zweifellos die Ästhetik des Gesamtkunstwerks gestört hätten.

 

 

Talk über Jagdblogger

Im neuen Format auf Jaeger Prime, dem Filmkanal für Abonnenten der Zeitschrift Jaeger, talkt Chefredakteur Lucas von Bothmer mit Gästen. In gemütlicher Atmosphäre, wie es im Teaser heißt. Nun ist ja Gemütlichkeit Geschmacksache, die erste Talkrunde hat sich jedenfalls in einer Art jagdlich dekoriertem Partykeller der 70er eingefunden.

Sei’s drum, das Thema ist aktuell und spannend, auch und gerade für einen Blogger. Denn genau darum geht es: Sind Jagdblogger Fluch oder Segen für das Waidwerk? Gäste sind der angehende Berufsjäger Hans-Kristian Sierk, die akademische Jagdwirtin Christine Fischer und Sinah-Marie Böttcher, besser bekannt als Bloggerin und Influencerin „Waidfraeulein“ (aktiv z.B. bei facebook). Letztere ist vor einiger Zeit Opfer übelster Nachstellungen und Bedrohungen geworden (worüber sogar der Spiegel berichtet hat).

Erschreckend ist aber nicht nur das Tun mancher Jagdgegner. Erschreckend ist auch, was manch ein Blogger so postet. Lucas von Bothmer hat für die Diskussion einige Negativbeispiele herausgesucht, über die sich nur lachen ließe, wenn sie nicht so entsetzlich dumm wären. Da präsentiert sich beispielsweise ein „Erleger“ in Siegerpose nackt (!) mit der Büchse als Phallussymbol und angespanntem Bizeps hinter zwei erlegten Sauen. Was mag in so einem Kopf vorgehen? Wohl nicht viel, da ist sich die Talkrunde einig.

Ich bin gespannt auf die nächsten Jaeger-Talks. Aber wenn ich mir etwas wünschen dürfte, wäre es eine Zusammensetzung, die kontroversere Positionen erwarten ließe. Bei der hier versammelten Runde war das Fazit nicht überraschend: Fluch oder Segen? Es kommt darauf an, was gepostet wird.

Unzeitgemäße Vorfreude

Per WhatsApp wird mir heute der Termin des Hegeringschießens im Schießkino von Gut Grambow mitgeteilt (Ende Oktober). Dorthin fahren wir seit ein paar Jahren zum Auftakt der Drückjagdsaison. Angesichts einer Außentemperatur von 29 Grad und spärlicher Freizeitbekleidung schaue ich zunächst etwas verwundert aufs Display. Aber dann rechne ich mir aus, dass es nur noch zweieinhalb Monate sind bis dahin. Und keine drei bis zum Hubertustag.

So unzeitgemäß ist meine Vorfreude also gar nicht! Ganz kurz bin ich versucht, schonmal die Ausrüstung zurechtzulegen. Oder endlich mein altes Vorhaben wahrzumachen und das Jagdhornblasen zu lernen.

In Halali Nr. 2/2018 habe ich über Gut Grambow geschrieben (zum Beitrag hier klicken)

Stirbt der Sanddorn?

Das seit einigen Jahren aufkommende Sanddornsterben hält an, wie die Ostseezeitung heute berichtet (9.08.2019, überregional S. 10; auch online). Betroffen sind gleichermaßen wilde Bestände und Plantagen. Einzelne Betreiber beklagen zwischen 15 und 40 Prozent Befall auf ihren Anbauflächen. Die Ursache ist weiterhin unbekannt. Möglicherweise ist es ein Pilz, möglicherweise durch Trockenstress begünstigt.

Wenn dem so wäre, träfe das nicht nur die norddeutsche Mitbringselindustrie empfindlich – auch die Landschaft wäre ohne die „Zitrone des Nordens“ ärmer.

Learning by Ethiopia

Äthiopien will bis Oktober vier Milliarden Bäume pflanzen. Allein Anfang dieser Woche sollen die rund 100 Millionen Äthiopier binnen 12 Stunden fast 354 Millionen Setzlinge in den Boden gebracht haben. Das berichten übereinstimmend diverse Medien, z.B. Spiegel online.

Zuerst dachte ich an eine PR-Aktion oder einen symbolischen Hilferuf, der auf die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam machen soll, ähnlich der berühmt gewordenen „Unterwassersitzung“ der Regierung der Malediven.

Tatsächlich aber ist die weltweite Medienresonanz allenfalls ein (gewollter) Nebeneffekt der Aktion: Sie ist Teil der „green-legacy“-Initiative der äthiopischen Regierung. Deren Ziel ist „… to become a green society by planting various types of eco-friendly seedling to combat environmental degradation“. Denn ein Großteil der rund 100 Millionen Äthiopier lebt von der Landwirtschaft. Aber Überschwemmungen und Abholzungen machen den Boden immer unwirtlicher. Von einstmals rund 35 Prozent ist der Anteil der bewaldeten Landesfläche auf nurmehr rund 4 Prozent geschrumpft. Dem soll die staatliche Pflanzaktion entgegensteuern.

Es geht also tatsächlich um praktische Wiederaufforstung, nicht um medienwirksame Lippenbekenntnisse. Davon ließe sich lernen.

Großes Herz, kleines Ego

Immanuel Kant soll gesagt haben, dass wir Menschen uns beim Anblick von Natur (Himmel, Berge, Wald, Meer) als Teil eines größeren Zusammenhangs erleben und uns bewusst werden, wie klein wir sind. Das, so meinte der Königsberger Meisterdenker, bringe uns dazu, mitmenschlicher zu werden.

Studien amerikanischer Psychologen der Universität Rochester bestätigen das jetzt. Naturerleben, so fanden sie heraus, lasse den Egoismus schrumpfen – und umgekehrt: Naturentfremdung lasse uns die Verbindung zu unseren Mitmenschen verlieren.

(„Das Herz wird groß und das Ego klein“, Interview mit dem Psychologen Manfred Spitzer, in: chrismon 08.2019, S. 14)

Ein differenzierender Blick

Nach den beiden jüngsten Massakern in den USA, die mich erschüttert haben und beängstigen, wird wieder der Ruf nach einer Verschärfung der Waffengesetze zu hören sein. Das ist verständlich und richtig, jedenfalls für die USA. Fast 400 Millionen Waffen sind im Privatbesitz der rund 330 Millionen Amerikaner, und deren Erwerb ist nach wie vor nahezu unkontrolliert. Mächtige Lobbyisten, allen voran die NRA und Präsident Trump selbst, sorgen dafür, dass sich daran nichts ändert. Und sie nehmen billigend in Kauf, dass auch verstörte Rassisten oder depressive Teenager Sturmgewehre und andere Kriegswaffen in die Hände bekommen.

In ihrem heute erschienen Leitartikel kritisiert Marina Kormbaki vom RedaktionsNetzwerk Deutschland, das rund 50 Tageszeitungen mit überregionalen Inhalten beliefert und also Millionen Leserinnen und Leser erreicht, diese Politik. Sie fördere nicht nur den privaten Waffenbesitz, sondern schüre auch eine Stimmung im Land, die das Waffentragen verherrliche. Und die Autorin differenziert klug: „Hier wollen nicht Jäger oder Sportschützen ihren Bedarf decken – sondern Bürger, die sich im Kampf wähnen.“ Jagd- und Sportwaffen werden also nicht in Bausch und Bogen verdammt, obwohl das gerade heute sicherlich viele gerne lesen würden. Das ist guter Journalismus!

Wir Jäger haben ein berechtigtes Interesse Jagdwaffen zu führen. Die deutschen Gesetze zum Erwerb, Besitz, Aufbewahren und Führen solcher Waffen mögen uns manchmal streng und bürokratisch erscheinen – ich halte sie für vorbildlich und nehme die daraus folgenden Vorschriften und Beschränkungen gern in Kauf.

Schnittmenge der Scheinheiligkeit

Gleich mehrere Beiträge der aktuellen Ausgabe der ZEIT (No. 32 vom 1. August 2019) prangern Scheinheiligkeiten in der Klimadebatte an: Im Leitartikel fordert Bernd Ulrich endlich entschlossenes Handeln der Politik statt vollmundiger Deklaratorik, dagegen sei die Inkonsequenz vieler Klimaschützer eher eine „Nebenfrage“ (S. 1). Zukunftsforscher Stephan Rammler konstatiert im Interview den Handlungsdruck, aber anders als in den 70er und 80er Jahren sei Umweltpolitik heute nicht mit mehr eine Frage technischer Lösungen (Katalysator, Filter etc.), vielmehr müsse ein „neuer Generationenvertrag“ geschlossen werden, der jeden einzelnen betreffe (S. 4). Hanno Rauterberg thematisiert im Feuilleton die Scheinheiligkeit der Kunstwelt, die einen ökologischen Fußabdruck produziere, der „ähnlich maßlos ist wie der Geltungsdrang der Branche“; die derzeit allerorten gezeigte „Klimakunst“ diene zuallererst dem Greenwashing (S. 33). Und im Beitrag von Henning Sussebach fragt sich Landwirt Franz Lehner, ob die urbanen Bienenretter und die deutschen Reiseweltmeister wohl dieselben Menschen sind, ob es da „eine Schnittmenge der Scheinheiligkeit“ gebe (S. 26).

Erstaunlich ist nicht die Omnipräsenz des Themas. Erstaunlich ist die unverhohlene Kritik an einem urbanen Milieu, aus dem ein Großteil der Leserschaft der ZEIT stammen dürfte. Das grenzt ja schon an Publikumsbeschimpfung! Wahrscheinlich hofft die Redaktion, dass Landwirt Lehner Recht hat in seiner Annahme, „urban“ sei weniger geografisch zu verstehen als vielmehr charakterlich.

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