Texter | Journalist | Schriftsteller

Monat: August 2019 (Seite 1 von 6)

Pirschgang auf Abwegen (II)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Heidi Klum und Tom Kaulitz haben auf der Sonneninsel Capri geheiratet. Anfang August hatten sie endlich ein Foto für uns. Auf Instagram. Zu sehen ist darauf, wie sich das frischvermählte Paar küsst, unter Blumengirlanden, die ein wenig an die Wimpelspinnen ostdeutscher Autohäuser erinnern. Sie im opulenten Kleid mit schleierbedecktem Haupt und freien Schultern, er im weißen Anzug. Hunderttausende Likes und zahllose Kommentare hat das dem Jubelpaar eingebracht, und das binnen weniger Minuten. 

Sie fragen sich, was das mit Natur und Jagd zu tun hat? Das will ich Ihnen gerne sagen: nichts! Rein gar nichts! Heidi Klum (46) war Model, bevor sie bei ProSieben Fernsehkarriere gemacht hat. Und Tom Kaulitz (29) schrumpst die Gitarre in der Teenie-Band Tokio Hotel. Mit Natur und Jagd haben beide meines Wissens nichts am Hut. Allenfalls die Haarpracht des Bräutigams könnte als „naturbelassen“ durchgehen (kennen Sie Fredda die Berghutze? Nicht? Dann lesen Sie unbedingt Walter Moers’ Käpt’n Blaubär!). Und eine Kommentatorin bei Instagram bezeichnete das Hochzeitskleid als „Kartoffelsack“, hier ließe sich also mit etwas Phantasie ein landwirtschaftlicher Bezug herstellen. 

Nun, de gustibus non est disputandum, das läge mir auch fern. Ich will auf einen anderen Punkt hinaus. Falls Sie bis jetzt geglaubt haben, die Hochzeit zweier IIIb-Promis werde nur in Bravo und Frau im Spiegel breitgetreten, dann haben Sie sich geirrt! Auch seriöse Zeitungen und Magazine, Onlinedienste, Fernsehsender und natürlich die Sozialen Medien überboten einander mit Berichten, Kommentaren, Fotos und mehr oder weniger wilden Spekulationen. Wo auch immer ich rund um den Hochzeitstermin nach Naturthemen suchte, fand ich nur – Heidi und Tom. Ist das nicht deprimierend?

Aber schließlich wurde noch ein Nachspiel berichtet. Das frischvermählte Paar soll in der berühmten Blauen Grotte gebadet haben, was natürlich streng verboten und bußgeldbewehrt ist. Wenn es denn stimmt, was angesichts des alltäglichen Gedränges vor und in der Grotte eher unwahrscheinlich ist, werden sie das Geld verschmerzen. Mir hilft es, am Ende dieser Kolumne doch noch die Kurve zur Natur zu kriegen. Denn die Blaue Grotte ist ein Naturmonument erster Güte. Wenn darin jetzt nicht mehr nur singende Grottenbootsführer herumschippern, sondern auch noch deutsche Traumpaare baden gehen, wird es dem einst mystischen Ort endgültig den Garaus machen.  

Selbstportrait mit Bienenschwarm

Diese Rezension beginn ausnahmsweise mit einem persönlichen Geständnis: Oft finde ich zu zeitgenössischer Lyrik keinen Zugang. Ich lese und erkenne die Worte, aber verstehe sie nicht. Ich folge dem Rhythmus der Zeilen, aber finde nicht den Takt. Ich fühle oder spüre eine Bedeutung, aber erschließe mir nicht den Sinn. Ganz sicher bin ich da kein Einzelfall, gemessen an den Verkaufszahlen von Lyrik scheint es vielen Leserinnen und Lesern ähnlich zu gehen. Gleichwohl versuche ich es immer mal wieder und kaufe einen Gedichtband. Wo ich den deponiere und lese, bleibt mein Geheimnis (das könnte allerdings lüften, wer sich noch an den einzigen außerhalb Kölns bekannt gewordenen Hit der Jürgen Zeltinger Band erinnert).

Jetzt ist mir ein Band in die Hände gefallen, der anders ist und mich lange beschäftigt hat: Jan Wagners „Selbstportrait mit Bienenschwarm“. Der 1971 geborene Autor gilt seit seinem Debut „Probebohrung im Himmel“ als einer der wichtigsten deutschen Gegenwartslyriker. Seine Gedichte wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis der Leipziger Buchmesse und dem Georg-Büchner-Preis. Die Süddeutsche Zeitung schrieb über Wagner, er sei „der beste Lyriker seiner Generation und eine der stärksten und originellsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“. Völlig zurecht, finde ich – wenn Lyrik, dann diese!

„Selbstportrait mit Bienenschwarm“ ist eine Anthologie mit Gedichten, die zwischen 2001 und 2015 entstanden und veröffentlicht worden sind. Mehr als 150 Gedichte sind es insgesamt. Viele davon – grob überschlagen die Hälfte – handeln im weitesten Sinne von Natur, meist sind es Ausschnitte, Miniaturen, überraschende Perspektiven und Aspekte, kurze Elegien oder Hymnen auf Pflanzen und Tiere. Jan Wagner schreibt über Frösche und Melonen, Wald und Nebel, Trapper und Moorochsen und und und. Vielleicht hilft eine Kostprobe, sich selbst ein erstes Bild zu machen:

Fenchel (aus „Probebohrung im Himmel“ von 2001)

knollen vor einem Gemüseladen im Winter – 
wie bleiche Herzen, sagtest du, gedrängt
in einer Kiste, wärme suchend – so daß wir

sie mit uns nahmen und nach Hause trugen,
wo feuer im kamin entzündet war,
wo kerzen auf dem tisch entzündet waren,

und ihnen halfen aus ihrer dünnen haut,
die strünke kappten, die zitternden blätter entfernten
und sie zu feinen weißen flocken hackten,

wartend, bis das wasser kochte,
die fensterscheibe blind war vom dampf.

Jan Wagner, Selbstportrait mit Bienenschwarm. Ausgewählte Gedichte, erschienen im Hanser Verlag, Taschenbuch, 256 S., 12,00 EUR

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Unglaubwürdig

Wie sich mit einer fetten Schlagzeile auf dem Titel die Glaubwürdigkeit der Jägerschaft torpedieren lässt, zeigt die jüngste Ausgabe der DJZ: „Top-Trophäen – Füttern hilft!“ Eine echte Steilvorlage für alle, die der Jägerschaft vorwerfen, aus Trophäengeilheit zu handeln und mit der Hege den notwendigen Waldumbau zu behindern (siehe hier zuletzt die Beiträge Ohne Hemmungen auf Rehwild? und Jagdkunde).

Das wütende Editorial zum Heft von Chefredakteur Rolf Roosen ist zwar in der Sache durchaus nachvollziehbar, aber sprachlich alles andere als eine Einladung zum Diskurs. In unserer Zeit, deren Geist nicht gerade auf Seiten der waidgerechten Jagd steht, ist das wenig hilfreich.

Jagdkunde

Bei Sachbüchern zur Jagd fragt man sich gelegentlich, für wen sie eigentlich geschrieben sind. Für Jägerinnen und Jäger steht nichts Neues drin, andere Zielgruppen werden durch jägersprachliche Vokabeln abgeschreckt oder einfach nicht dort abgeholt, wo sie stehen. Kontroversen werden als bekannt vorausgesetzt (oder gleich ganz verschwiegen), einzelne Positionen als einzig wahre präsentiert. Sachbücher, die einerseits der Jagd positiv gegenüber stehen und sich andererseits ausdrücklich auch an eine nicht-jagende Leserschaft wenden, sind selten. 

In dieser Hinsicht sind die Bücher von Eckhard Fuhr echte Glücksfälle. Etwa „Lob der Jagd“ von 2011, das er gemeinsam mit Werner Schmitz geschrieben hat, „Jagdlust“ von 2012 oder auch sein Buch über die „Rückkehr der Wölfe“ von 2014. Fuhr war über viele Jahre Redakteur der FAZ, leitete das Kulturressort der Welt, arbeitete als Kulturkorrespondent und Kolumnist und lebt heute als freier Autor in Berlin. In Wild und Hund erschien seine monatliche Kolumne „Im Mediendschungel“. Darin hat er mitunter Positionen vertreten, die der traditionellen Jägerschaft nicht geschmeckt haben dürften. Und vor ein paar Jahren ist er in den Ökologischen Jagdverband (ÖJV) eingetreten und mittlerweile zum Stellvertretenden Vorsitzenden des ÖJV Brandenburg avanciert.

Jetzt ist unter dem Titel „Jagdkunde“ ein handliches Taschenbüchlein erschienen. Darin handelt Fuhr viele Aspekte der heutigen Jagd ab, angefangen bei den formalen Voraussetzungen der Jagdausübung über Waffen und Reviersystem, Hunde, jagdbare Arten und den Wolf bis hin zum Wildbret. Er versteht es wirklich, eigenes Jagderleben erzählerisch und unterhaltsam mit Informationen, Erklärungen, historischen Herleitungen, Anekdoten und Beschreibungen zum jeweiligen Thema zu verknüpfen. Das Buch zeugt von differenzierter Sachkenntnis und ist mit leichter Hand geschrieben. Für Jägerinnen und Jäger ist das kurzweilig, anderen vermag es die Jagd verständlich zu machen und also näherzubringen.

Eckhard Fuhr vertritt allerdings offensiv Positionen des ÖJV, etwa wenn es um den Schrotschuss auf Rehwild geht oder die Verkürzung der Schonzeit auf Böcke (siehe dazu den Beitrag Ohne Hemmungen auf Rehwild? in diesem Blog). In der Regel schreibt er das auch dazu. Und er argumentiert meist sachlich, vertritt diese Positionen nicht dogmatisch. Seine Ablehnung von Loden und Trophäen kommt in „Jagdkunde“ noch nicht ganz so deutlich durch wie zuletzt in einem taz-Interview, das leider von erheblicher Schwarzweißmalerei zeugt.

Man muss schon genau ins Impressum des Buches schauen um herauszufinden, dass es sich bei „Jagdkunde“ um eine durchgesehene Taschenbuchausgabe des bereits erwähnten Buches „Jagdlust“ handelt, mit verändertem Titel und Untertitel. Dieser Hinweis fehlt leider auch auf den Verlagsseiten und im Online-Handel. Das ist ärgerlich für Leserinnen und Leser, die bereits die gebundene Originalausgabe besitzen und sich auf ein neues Buch gefreut hatten. 

Der Text wurde lediglich durchgesehen und geringfügig überarbeitet. Besonders augenfällig ist das bei den Passagen, in denen es um den ÖJV geht. Ein Beispiel: 2012 hatte Fuhr noch geschrieben, die im ÖJV organisierten Jäger fände wohl deswegen soviel Resonanz in den Medien, „weil sie das Öko-Etikett nutzen, auch wenn es schlicht um holzwirtschaftliche Interessen geht.“ In diesem Zusammenhang hieß es, Journalisten ließen sich eben leicht einen Bären aufbinden. 2019 hat der ÖJV-Vizevorsitzende diese Sätze gestrichen.

Darüber kann man mindestens schmunzeln. Aus Sicht des Rezensenten ist das Buch aber auch in der neuen Fassung lesenswert. Wer antiquarisch eine Ausgabe von „Jagdlust“ auftreiben kann, sollte allerdings lieber zu dieser greifen, auch wegen der wunderbaren Zeichnungen von Cornelia Schleime.

Eckhard Fuhr: Jagdkunde. Zeitgemäße Betrachtungen über ein altes Handwerk, erschienen 2019 bei Matthes & Seitz, 176 Seiten, Paperback, 10,00 Euro
Originaltitel: Jagdlust. Warum es schön, gut und vernünftig ist, auf die Pirsch zu gehen, erschienen 2012 im Quadriga Verlag

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Originaltitel antiquarisch erhältlich z.B. über amazon

Ohne Hemmungen auf Rehwild?

In Heft 1/2019 der „Ökojagd“, dem Magazin des Ökologischen Jagdverbandes, schreibt Georg Meister über das Reh als „Zuchtobjekt“ einer trophäenorientierten Jägerschaft. Der 1929 geborene Forstwissenschaftler und Sachbuchautor ist Mitgründer und Ehrenmitglied des ÖJV Bayern.

Meister schlägt einen weiten Bogen vom Leben der Rehe in den europäischen Urwäldern über die Folgen der Sesshaftwerdung des Menschen, die populationsdynamischen Auswirkungen der jagdrechtlichen Änderungen von 1848 und mit dem Reichs- und Bundesjagdgesetz bis in die Gegenwart. Ein langer Artikel – dessen Ergebnis nicht wirklich überrascht: Ein effektiver Waldumbau von „Nadelholzplantagen“ zu „stabilen Mischwäldern“ werde nur gelingen, wenn endlich der Grundsatz „Wald von Wild“ durchgesetzt werde. Der müsse eigentlich besser „Zukunftswald vor Trophäenjagd“ lauten, schreibt Meister. „Alle Hemmnisse“ seien abzubauen, die eine „rasche Anpassung des Rehwildbestandes an die Landeskultur“ behinderten.

Es ist die bekannte ÖJV-Position, wie sie zuletzt beispielsweise auch Eckhard Fuhr in seinem Buch „Jagdkunde“ vertritt (siehe Rezension in diesem Blog). Als solcherart „Hemmnisse“ gelten das sachliche Verbot des Schrotschusses auf Rehwild, jegliche Beschränkungen der Freigabe bei den Drückjagden und die herbstliche Schonzeit für Böcke.

Waldpolitisch und wildbiologisch kann man vielleicht so argumentieren. Der Schrotschuss auf kurze Distanz tötet tierschutzgerecht (er war früher gang und gäbe und ist in anderen Ländern erlaubt), Drückjagden wären hinsichtlich der Reduktion des Rehwilds zweifellos effizienter, und biologisch ist es ohne Belang, ob der Bock mit oder ohne Gehörn erlegt wird. In vielen der neueren Landesjagdgesetze haben diese Positionen bereits Niederschlag gefunden.

Aber Rehe sind nicht nur „kleine braune Waldscheren“! Über den waldpolitischen und wildbiologischen Argumenten stehen tierschutzrechtliche. Rehe sind schmerzempfindliche Wirbeltiere, und die Vermeidung von Tierleid ist auch jagdlich ein hohes Gut. Wenn der Schrotschuss erst erlaubt ist, wird die eine oder andere Garbe auf 50 und mehr Meter abgefeuert werden, auch auf flüchtige Stücke, sei es in Selbstüberschätzung oder schlicht im Eifer des Gefechts. Die Tötungswirkung der Schrote sinkt mit jedem Meter, die Verletzungsgefahr steigt. Und die Nicht-Freigabe von Böcken auf der Drückjagd diszipliniert die Schützen, denn sie zwingt zu genauem Ansprechen und überlegter Schussabgabe. Wenn nicht Naserümpfen und Strafzahlungen drohen, werden nicht nur Böcke auf der Strecke liegen, sondern auch Ricken ohne zugehörige Kitze und viel zerschossenes Wild, das kaum noch zu verwerten ist.

Für den Einzelansitz spricht sicherlich wenig dagegen, die Schonzeit für Böcke zu verkürzen, zumindest biologisch. Wer in Trophäen ohnehin nur Staubfänger sieht, mag seine Böcke im Januar schießen. Wer darin Erinnerungsstücke, Respektsbezeugungen oder schlicht gutes Waidwerk sieht, kann ja auch weiterhin ab Mitte Oktober den Finger gerade lassen. Dem Wald ist’s so oder so egal: auch beim Rehwild sind die männlichen Stücke nicht die Zuwachsträger.

 

Greenwash, Inc.

„Greenwash, Inc.“ von Karl Wolfgang Flender ist ein durchaus aktueller Roman: Thomas, der Protagonist, arbeitet für eine international agierende PR-Agentur, die Unternehmen ein grünes Image verpasst. Und zwar gerade dann, wenn sie Regenwälder abholzen, hochgiftigen Computerschrott verschiffen oder den Tod von indischen Kinderarbeitern billigend in Kauf nehmen. Thomas inszeniert Hope Stories von ökologischer Nachhaltigkeit in einer Welt ohne Anlass zur Hoffnung auf einen tatsächlichen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Diese Welt ist zynisch, absolut moralfrei und von kalter Effizienz. So weit, so zeitkritisch.

Allerdings bedient der Autor ziemlich viele Klischees, und das ohne Ironie oder Augenzwinkern. Die Charaktere sind teilweise überzeichnet und entwickeln sich nicht, der fiese Agenturchef bleibt fies und die mit Psychopharmaka zugedröhnten Mitarbeiter dröhnen sich zu, von Anfang bis Ende. Außerdem muss sich der geneigte Leser auf lange Dialoge über Rennradmarken oder Mixgetränke einlassen. Man kennt diese Stilmittel seit Bret Easton Ellis’ berühmtem Roman „American Psycho“, und wahrscheinlich werden sie heute an der Uni Hildesheim gelehrt, wo Flender „Literarisches Schreiben“ studiert hat. Wer so etwas mag, sollte „Greenwash, Inc.“ ruhig lesen.

Karl Wolfgang Flender: Greenwash, Inc., DuMont Buchverlag 2015, 392 Seiten, gebunden 19,99 Euro, Taschenbuch 11,00 Euro

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Paranoia der Medien?

Florian Asche ist kein Leisetreter. Im Gegenteil: wer Bücher mit Titeln wie „Jagen, Sex & Tiere essen“ oder „Kannst Du mal die Leber halten?“ (ein Kinderbuch!) veröffentlicht, liebt wohl den schwungvollen Auftritt. Es darf vermutet werden, dass er die medialen Regeln der Aufmerksamkeit ganz genau kennt und mit sicherer Hand bedient. Diese Vermutung nährt auch seine Kolumne „Asches letzter Bissen“ in Wild und Hund. Titel der aktuellen Folge: „Paranoia 2019. Unsere Freude am Weltuntergang.“ (WuH Nr. 16/2019, S. 112)

Umso mehr überrascht es, wenn ausgerechnet Asche darin zur allgemeinen und undifferenzierten Medienschelte anhebt. Die Ernteprognose 2019 des Deutschen Bauernverbandes im Wirtschaftsteil der FAZ reicht ihm als zentrale Wissensquelle, um den Klimawandel zu leugnen und kritische Medien wie ZEIT oder taz als politische Kampfinstrumente zu diffamieren. Und mit Verweis auf die historische Borkenkäferkalamität nach dem Krieg relativiert er die aktuelle Problematik. Seine Kolumne gipfelt in der Aussage, Fakten seien mittlerweile nur eine „Belastung“ für die Medien. In wessen Horn stößt er denn da?

Sicher gilt immer noch die alte Regel, „only bad news are good news“, und bekanntermaßen schlägt manche Schlagzeile weit über die Zeile hinaus. Im konkreten Fall könnte man aber leicht entgegnen, eine überwältigende Mehrheit der seriösen WissenschaftlerInnen und in der Folge auch WissenschaftsjournalistInnen gehe heute nunmal davon aus, dass es den Klimawandel gebe und wir aktuell dessen Vorboten und Zeichen erlebten. Ergo sagten und schrieben sie das auch so. Übrigens auch in der FAZ.

Aber hier geht es um einen anderen Punkt: Die pauschale Medienschelte ist einfach ärgerlich und sachlich falsch! Sie steht auch „Wild und Hund“ nicht gut zu Gesicht. Niemals zuvor in der Geschichte und nirgends sonst hatten und haben Menschen mehr, unterschiedlichere und freiere Medien zur Verfügung als hier und heute. Wer sich ausgewogen informieren will, hat dazu alle Möglichkeiten, in Text, Bild und Ton, analog oder digital, monographisch oder interaktiv. Er/sie muss nicht die ZEIT lesen, und niemand zwingt zur Lektüre der taz. Aber die Ernteprognose des DBV allein wird wohl eher nicht ausreichen, sich ein fundiertes Bild zu einem komplexen Problem wie dem Klimawandel zu machen.

Unsere Wölfe

Vor bald 20 Jahren galt die Geburt der ersten wilden Welpen auf dem Boden der Bundesrepublik als Sensation. Seitdem haben sich die Wölfe beinahe im ganzen Land immer mehr Territorien erschlossen. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz konnten im letzten Monitoringjahr 73 Rudel und 30 Paare bestätigt werden (siehe Pressemitteilung). Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Bestände in nächster Zeit weiter exponentiell ansteigen.

Die einen feiern die Rückkehr des Wolfes als Erfolgsgeschichte des Natur- und Artenschutzes. Die anderen sehen in erster Linie die Probleme, die eine ungeregelte Ausbreitung in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft mit sich bringt. Beide Seiten vereint die Faszination für dieses große Raubtier.

Heiko Anders begleitet die Rückkehrer seit vielen Jahren mit der Kamera. Im Auftrag der Landesumweltämter und anderer Institutionen arbeitet er für das Wolfsmonitoring. Mehrfach konnte er Erstnachweise neuer Rudel liefern. Vor allem brachte ihn diese Arbeit näher heran an die wilden Wölfe als jeden anderen. Jetzt hat er einen opulenten Bildband vorgelegt. Die darin versammelten Fotos sind zwischen 2013 und 2018 in acht verschiedenen Revieren in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt entstanden.

Mit durchgängig großartigen (Nah)Aufnahmen führt Anders die Betrachter mitten in die Habitate und Rudel. Seine Bilder vermitteln tiefe Einblicke in das Leben der Wölfe, zeigen das Territorial- und Sozialverhalten der adulten Tiere und ihrer Welpen. Die zugehörigen Texte und Bildunterschriften sind informativ und beschreiben unterhaltsam die Umstände, unter denen die jeweiligen Aufnahmen entstanden sind. In Bild und Text zeigt sich Heiko Anders‘ Begeisterung für diese wunderbaren Tiere – er bringt uns die Wölfe im eigentlichen Sinne nahe. Übrigens sind nicht ausschließlich Wölfe abgelichtet: Im Band finden sich vereinzelt auch Bilder anderer Arten (z.B. Rotwild).

Etwas ärgerlich ist, dass der NABU als Herausgeber die Einleitung zum Band für die hinlänglich bekannten Grabenkämpfe nutzt. Einschließlich unausgewogener Sticheleien gegen die Jägerschaft, deren Beiträge zu Artenschutz und Wolfsmonitoring unerwähnt bleiben. Die Probleme der Nutztierhalter werden mit dem Hinweis auf Herdenschutz und Entschädigung heruntergespielt. Dass einem Schäfer das Wohlergehen seiner Schafe am Herzen liegen könnte, scheint nicht in diese Vorstellungswelt zu passen. Aber das sind nur wenige Seiten in einem ansonsten ästhetisch und inhaltlich wirklich empfehlenswerten Bildband.

Heiko Anders, Das Leben unserer Wölfe. Beobachtungen aus heimischen Wolfsrevieren, hrsg. vom NABU e.V., erschienen 2019 im Haupt Verlag, 224 Seiten, 220 Farbfotos, Großformat gebunden, 29,90 EUR

Erhältlich beim Buchhändler Deines Vertrauens
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Zur Rückkehr des Wolfes siehe auch in der Rubrik „Angelesen“ den Beitrag „Im Wolfserwartungsland“.

Initiative Waidgerechte Jagd

Seit kurzem online ist die Initiative „Waidgerechte Jagd“ auf https://waidgerechte-jagd.de. Sie will ein aufgeklärtes Bild der Jagd vermitteln, will Jägern einen „Wertekompass für ihre jagdliche Praxis“ und Nichtjägern „Informationen über eine aufgeklärte und moderne Form der Jagd“ bieten. Mithin eine Jagd, „die durch aktiven Tier- und Naturschutz Lebewesen, Gesellschaft und Jäger eint.“ Partner sind u.a. Halali, Jaeger und Pirsch sowie diverse Markenhersteller und Händler wie Frankonia (verantwortlich laut Impressum).

Klingt nach einer guten Idee! Einstweilen finden sich auf den Seiten einige Fragen & Antworten, die sich vor allem an Nicht-Jäger richten dürften (z.B. „Sind Jäger Mörder?“), 12 Leitsätze zur Zukunft der Jagd und die drei Siegerfilme des Sophie Award 2019, dem Jagdfilm-Wettbewerb von DJV und Jagdstolz.

Elch im Sommerloch

Ein Elch hat bei Pasewalk die grüne Grenze überschritten und wandert nun durch Vorpommern. Das berichten seit gestern mehrere Medien (z.B. Ostseezeitung, der Nordkurier und Die Welt). Alle Jahre wieder kommen Jungbullen aus Polen ins Land, um sich eigene Reviere und Elchtiere zu suchen – vergeblich! Denn in Mecklenburg-Vorpommern sind zwar die Sommerlöcher ausgedehnt, nicht aber die Feuchtgebiete. Elche lieben einfach weite und gemischte Habitate mit Wald, Offenland und Wasser. Mais- und Ratschläge sind weniger ihr Ding.

Es ist also unwahrscheinlich, dass wir nach Biber und Wolf einen weiteren „Rückkehrer“ begrüßen können. Meist verschwinden die Elche wieder ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht sind. Weniger glückliche Exemplare werden von Zeitungsleserinnen und -lesern „Pommes“ getauft und landen im Rostocker Zoo (so geschehen 2017).

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