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Ohne Hemmungen auf Rehwild?

In Heft 1/2019 der „Ökojagd“, dem Magazin des Ökologischen Jagdverbandes, schreibt Georg Meister über das Reh als „Zuchtobjekt“ einer trophäenorientierten Jägerschaft. Der 1929 geborene Forstwissenschaftler und Sachbuchautor ist Mitgründer und Ehrenmitglied des ÖJV Bayern.

Meister schlägt einen weiten Bogen vom Leben der Rehe in den europäischen Urwäldern über die Folgen der Sesshaftwerdung des Menschen, die populationsdynamischen Auswirkungen der jagdrechtlichen Änderungen von 1848 und mit dem Reichs- und Bundesjagdgesetz bis in die Gegenwart. Ein langer Artikel – dessen Ergebnis nicht wirklich überrascht: Ein effektiver Waldumbau von „Nadelholzplantagen“ zu „stabilen Mischwäldern“ werde nur gelingen, wenn endlich der Grundsatz „Wald von Wild“ durchgesetzt werde. Der müsse eigentlich besser „Zukunftswald vor Trophäenjagd“ lauten, schreibt Meister. „Alle Hemmnisse“ seien abzubauen, die eine „rasche Anpassung des Rehwildbestandes an die Landeskultur“ behinderten.

Es ist die bekannte ÖJV-Position, wie sie zuletzt beispielsweise auch Eckhard Fuhr in seinem Buch „Jagdkunde“ vertritt (siehe Rezension in diesem Blog). Als solcherart „Hemmnisse“ gelten das sachliche Verbot des Schrotschusses auf Rehwild, jegliche Beschränkungen der Freigabe bei den Drückjagden und die herbstliche Schonzeit für Böcke.

Waldpolitisch und wildbiologisch kann man vielleicht so argumentieren. Der Schrotschuss auf kurze Distanz tötet tierschutzgerecht (er war früher gang und gäbe und ist in anderen Ländern erlaubt), Drückjagden wären hinsichtlich der Reduktion des Rehwilds zweifellos effizienter, und biologisch ist es ohne Belang, ob der Bock mit oder ohne Gehörn erlegt wird. In vielen der neueren Landesjagdgesetze haben diese Positionen bereits Niederschlag gefunden.

Aber Rehe sind nicht nur „kleine braune Waldscheren“! Über den waldpolitischen und wildbiologischen Argumenten stehen tierschutzrechtliche. Rehe sind schmerzempfindliche Wirbeltiere, und die Vermeidung von Tierleid ist auch jagdlich ein hohes Gut. Wenn der Schrotschuss erst erlaubt ist, wird die eine oder andere Garbe auf 50 und mehr Meter abgefeuert werden, auch auf flüchtige Stücke, sei es in Selbstüberschätzung oder schlicht im Eifer des Gefechts. Die Tötungswirkung der Schrote sinkt mit jedem Meter, die Verletzungsgefahr steigt. Und die Nicht-Freigabe von Böcken auf der Drückjagd diszipliniert die Schützen, denn sie zwingt zu genauem Ansprechen und überlegter Schussabgabe. Wenn nicht Naserümpfen und Strafzahlungen drohen, werden nicht nur Böcke auf der Strecke liegen, sondern auch Ricken ohne zugehörige Kitze und viel zerschossenes Wild, das kaum noch zu verwerten ist.

Für den Einzelansitz spricht sicherlich wenig dagegen, die Schonzeit für Böcke zu verkürzen, zumindest biologisch. Wer in Trophäen ohnehin nur Staubfänger sieht, mag seine Böcke im Januar schießen. Wer darin Erinnerungsstücke, Respektsbezeugungen oder schlicht gutes Waidwerk sieht, kann ja auch weiterhin ab Mitte Oktober den Finger gerade lassen. Dem Wald ist’s so oder so egal: auch beim Rehwild sind die männlichen Stücke nicht die Zuwachsträger.

 

3 Kommentare

  1. J. Hartwig

    Moin, Wald vor Wild provoziert nur, Wald vor Trophäenjagd ist die bessere Beschreibung. Der Schrotschuss auf Rehwild erfordert nicht weniger oder mehr Disziplin und Achtung vor Lebewesen als der Kugelschuss auf Rehwild während der Bewegungsjagden. In Skandinavien funktioniert die Jagd auf Rehwild mit Schrot sehr effizient. Es wäre nur angemessen auch bei den anderen Schalenwildarten auf die Trophäenjagd zu verzichten und nur nach Altersklassen zu jagen. Dem Rottier z. Bsp. ist es völlig egal ob der Platzhirsch ein alter Eissppossenzehner oder ein Kronenhirsch ist. Das was in der Altersklasse frei ist wird erlegt und es wird dabei auf Konstitution geachtet und nicht auf die Trophäe. Ergibt weniger Beunruhigung und zerstört auch keine Sozialstruktur. Hier wird auch in den Staatsforsten noch sehr mit zweierlei Maß gemessen.

  2. Volker Pesch

    Ein Schweizer Jäger hat diesen Beitrag auf Facebook wie folgt kommentiert:
    „Bei uns in der Schweiz sind Ökojäger noch kein Thema. Solche hätten z.Zt. auch keine Chance, in Jagdgesellschaften aufgenommen zu werden. Es braucht sie auch nicht. Wir haben viele Laubmischwälder. Fichtenmonokulturen waren schon immer verpönt. Der Schrotschuss auf Rehwild war auf den herbstlichen Jagden mit Bracken und/oder Treibern schon immer Tradition. Vielerorts wurde der Kugelschuss von der Jagdleitung untersagt, oft aus Sicherheitsgründen. Inzwischen haben auch grosse Teile der Schweiz Schwarzwild als Wechsel- oder Standwild. Dieses wird hauptsächlich mit der Kugel bejagt. Einzelne Kantone haben inzwischen den Schrotschuss auf Schalenwild abgeschafft. Viele Jagdgesellschaften sehen es inzwischen lieber, wenn Rehwild mit der Kugel erlegt wird. Als Hauptgrund gilt die Tatsache, dass mit Schrot erlegtes Rehwild meistens starke Wildbretentwertung zur Folge hat und schwer vermarktet werden kann. Auch bei s.g. Fehlschüssen, haben die meisten beschossenen Rehe Randschrote abbekommen, sind schwer nachzusuchen und verenden oft in der Folge.“

  3. Volker Pesch

    Der Sicherheitsaspekt beim Schrotschuss auf der DJ ist interessant; allerdings gilt es bei den DJ hierzulande ja oft Schwarz- und Rotwild, die meisten Schützen führen Repetierer, Büchsflinten oder Drillinge sind längst die Ausnahme.
    Die Frage „Schrotschuss auf Rehwild?“ stellt sich also eher für Ansitz und Pirsch.

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