Die Renaturierung einstmals trockengelegter Moore ist ein großes Thema. Denn heute weiß man, dass gesunde Moorkörper Kohlendioxid speichern und Lebensräume einzigartiger Biozönosen bilden. Moore dienen dem Klima- und Artenschutz. Dennoch ist die Renaturierung oft nicht unumstritten. Wo extensiv genutzte Weideflächen oder Naherholungsgebiete im sauerstoffarmen Wasser ersaufen, sorgt das oft für Ärger. Nicht allen gefällt die Vorstellung, die Uhren zurück zu drehen in eine Zeit, als aus den großen Sümpfen und Mooren unter unvorstellbaren Strapazen urbares Land gemacht wurde. 

Genau dorthin führt Norman Ohlers Roman, genauer gesagt in den Sommer des Jahres 1747. Friedrich der Große will das von Fischern und Kätnern bewohnte Oderbruch in Ackerland verwandeln. Hier sollen Kartoffeln wachsen und Rinder weiden, er will Menschen aus dem Süden ansiedeln. Also lässt er mit gewaltigem Aufwand Entwässerungsgräben und Deiche anlegen. Aber nicht nur Mücken, Malaria und Biber machen die Arbeiten zur Tortur. Mancherorts regt sich Widerstand unter denjenigen, die seit Jahrhunderten mit und von dem Wasser leben und die der Kartoffel ebenso ablehnend gegenüberstehen wie den fremden Kolonisten. Die wendischen Fischer fürchten das Ende ihrer Welt. 

Das Buch besticht durch eine atmosphärische Dichte, die einen förmlich eintauchen lässt in die Odersümpfe und das 18. Jahrhundert. Dabei ist „Die Gleichung des Lebens“ auch ein spannender historischer Krimi: Ein Ingenieur wird ermordet, Friedrich entsendet den Mathematiker Leonhard Euler an die Oder, um die ausstehenden Berechnungen anzustellen. Der zweifelt mehr und mehr an der Sinnhaftigkeit des gesamten Vorhabens. Stattdessen interessiert er sich für die Mordumstände, erliegt beinahe selbst dem Sumpffieber und findet am Ende heraus, wer den Ingenieur ermordet hat.

Norman Ohler: Die Gleichung des Lebens, erschienen 2017 im Verlag Kiepenheuer & Witsch, 416 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 22,00 Euro

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