Bereits 1849 hat der Ornithologe Johann Friedrich Naumann, Verfasser einer wegweisenden zwölfbändigen Monographie über die Naturgeschichte der Vögel, auf gravierende Bestandsrückgänge in der heimischen Vogelwelt aufmerksam gemacht. Als Ursachen benannte er die intensive Melioration und den Ackerbau auf immer größerer Fläche, aber auch die Tatsache, dass in Deutschland Amsel, Drossel, Fink und Star in großer Zahl verspeist wurden. Im 19. Jahrhundert war Deutschland noch ein „Vogelfresserland“.
Nun sind Singvögel schon lange vom heimischen Speiseplan gestrichen. Dennoch nimmt ihre Zahl in Deutschland um etwa 1 Prozent pro Jahr ab. Peter Berthold, emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie und ehemaliger Leiter der Vogelwarte Radolfzell, errechnet in seinem neuen Buch, dass der Gesamtverlust an Vögeln von 1800 bis heute sage und schreibe 80 Prozent beträgt. Mit anderen Worten: „wo heute noch einer zwitschert, waren es früher fünf.“ Das ist ein erschreckender und alarmierender Befund.
Die Hauptursachen sind allgemein bekannt: intensive Land- und Forstwirtschaft mit ausgedehnten Monokulturen und hohem Pestizideinsatz, zunehmende Flächenversiegelung durch Verkehrswege, Siedlungen und Industriegebiete, Energiegewinnung aus Pflanzen, Sonne und Wind sowie flächige Rohstoffgewinnung im Tagebau – das alles zerstört Biotope oder vermindert zumindest erheblich deren Qualität. Auch freilaufende und verwilderte Hauskatzen sind zu einem erheblichen Problem für die Vogelwelt geworden: Mindestens 30 Millionen Singvögel werden allein in Deutschland jährlich von Katzen erbeutet. Jagd und Verfolgung durch Menschen spielen hierzulande kaum noch eine Rolle.
Peter Berthold belässt es nicht bei der Bestandsaufnahme. Allerdings setzt er nicht auf Politik und die großen Verbände. Es schwingt ein wenig Resignation mit, wenn er die bisherigen Schutzmaßnahmen als „halbherzig“ bezeichnet und schreibt, da können man stattdessen auch Votivtafeln aufstellen („Maria hilf!“). Mit der Kampagne „Jeder Gemeinde ihr Biotop“ setzt Berthold stattdessen auf ein neues Naturschutzkonzept, nämlich einen deutschlandweiten Biotopverbund. Und er beschreibt auch, was jeder einzelne in seinem Hausgarten für die Vogelwelt tun kann.
Peter Berthold: Unsere Vögel. Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können, erschienen 2017 im Ullstein Verlag, 336 Seiten, gebunden, 24,00 Euro
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