Texter | Journalist | Schriftsteller

Monat: August 2019 (Seite 5 von 6)

Walden Field Guide

Das Magazin Walden bedient den Leserkreis der jungen Outdoor-Hipster (äußere Merkmale: Strickmütze und Fusselbart). Seit 2015 erscheinen zwei Ausgaben pro Jahr, immer „voller Inspirationen für Abenteuer vor unserer Haustür“, so die Selbstbeschreibung. Walden wird gemacht für Leute, die gerne draußen sind, ohne gleich Extrembergsteiger oder Einhandsegler sein zu wollen. 

Menschen mit grünem Abitur sei dieses Magazin eher nicht empfohlen. Aber eine Rubrik daraus hat Barbara Lich jetzt in erweiterter Form als Walden Field Guide veröffentlicht – und das ist ein Naturführer der besonderen Art geworden: weder Survival-Anleitung noch Bestimmungsbuch, vielmehr ein „Programmheft für Flora und Fauna in Deutschland“. Für jeden Monat des Jahres gibt es ein wenig Statistik und einen „Natur-Ticker“ mit Stichworten, außerdem werden jahreszeittypische Naturphänomene beschrieben und ein Tier des Monats vorgestellt. Nicht zuletzt wird auch die eine oder andere Frage beantwortet, die einen immer schon umgetrieben hat: Warum, beispielsweise, duftet Sommerregen? 

Was dieses Büchlein besonders empfehlenswert macht, ist die frische, heitere und durchgängig von Wortspielerei geprägte Sprache. Selbst wenn das nicht die eigentliche Zielgruppe sein dürfte, so könnte dieser Field Guide vielleicht sogar unsere lieben Heranwachsenden dazu animieren, ihre Smartphones beiseite zu legen und einfach mal nach draußen zu gehen. 

Barbara Lich, Der Walden Field Guide. Das ganze Jahr unterwegs in Deutschland, Ullstein Verlag 2016, 240 Seiten, 12,00 Euro

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Selbstverbrennung

Ende 2015 bekam die Welt ein weiteres Klimaabkommen. Nach Rio, Kyoto und Kopenhagen brachte die Pariser Konferenz ein klares Ziel: Bis zur Jahrhundertmitte sollen die Treibhausgasemissionen radikal reduziert und die globale Erwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden. Wir Deutsche werden unsere Landschaften weiter mit Windkraftanlagen und Solarmodulen überziehen, werden in den Städten mit smarten Elektroautos Fahrgemeinschaften bilden, für jede Flugmeile mindestens eine Waldaktie kaufen und das tonnenschwere SUV mit fleischfreien Tagen in der Kantine kompensieren.

Unsere Nachbarn dagegen, die Polen, Franzosen oder Briten beispielsweise, werden einfach neue Kernkraftwerke bauen oder ihre alten Brüter wacker weiter laufen lassen. Nicht zu reden von Finnland, Indien oder Südkorea. Und erst recht nicht von China, wo bis zum Jahr 2030 mehr als 80 neue Reaktoren ans Netz gehen sollen. 

Aber was wird mit denen, die sich keine neue Kernkraftwerke leisten können oder wollen? Oder trotz Ökostrom die Latte reißen? Die haben wenig bis nichts zu befürchten. Denn das Abkommen ist zwar völkerrechtlich verbindlich – aber wirksame Sanktionen sind darin nicht vorgesehen, abgesehen vom internationalen Pranger. An dem stehen schon lange die USA und Russland und zucken nur gelangweilt mit den Schultern, wenn sie darauf angesprochen werden. Die anderen werden sich einfach dazustellen.

Es ist also wenig wahrscheinlich, dass das Ziel des Pariser Abkommens erreicht werden wird. Wer genauer wissen will, was dann auf uns und unsere Kinder zukommt, der lese Hans Joachim Schellnhubers Buch Selbstverbrennung. Der Gründer und Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat damit wohl sein Lebenswerk vorgelegt. Dabei ist es keine fachwissenschaftliche Publikation, sondern eine in weiten Teilen gut lesbare Melange aus wissenschaftlichen, politischen, kulturellen und auch biografischen Argumentationslinien. Leider ist es auch ein ganz schön dicker Klopper: Man hätte sich im Lektorat bei Bertelsmann einen beherzteren Umgang mit dem Rotstift gewünscht. 

Hans Joachim Schellnhuber, Selbstverbrennung. Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff, 784 Seiten, C. Bertelsmann, 29,99 Euro

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Im Kranichwald

Wenn Verlage ihren Büchern Untertitel verpassen wie „Ein Waidmann erzählt“ (alternativ: ein Jäger, Förster, Grünrock, Nimrod), ist oft Vorsicht geboten. Und das auch dann, wenn sie verheißungsvolle Titel tragen wie „Der Keiler aus dem dunklen Sumpf“, „Vergangen Haut und Gebein“ oder „Des Waidmanns Widergang“. Umso freudiger ist die Überraschung, wenn es unerwartet anders kommt, wie in den „Tier- und Jagdgeschichten eines Försters“ von Joachim Kolmer. Unter dem Titel „Im Kranichwald“ sind die 2015 in einer zweiten, erweiterten Auflage erschienen. 

Geboren 1952 und aufgewachsen in der Griesen Gegend im Südwesten Mecklenburgs, in der DDR also, stand Kolmer in der Wendezeit als junger Förster mitten im Berufsleben. Die Umbrüche dieser Zeit in Forstwirtschaft und Jagd hat er unmittelbar erlebt, und zur Freude des Lesers ist er dabei weder Kulturpessimist noch Ostalgiker geworden.

Seine hier versammelten Anekdoten und Erinnerungen reichen vom jagenden Großvater und ersten Waidmannsheil über die Zeit in der Militärforstwirtschaft bis zum Dienst als Revierförster der Bundesforst in Laage und Lübtheen. Ein wenig störend ist, dass die in der zweiten Auflage zusätzlich aufgenommenen Geschichten irgendwie konzeptionslos angehängt wirken, während die der ersten Auflage (von 1999) noch geradlinig dem Lebensweg des Autors folgen.

Doch insgesamt ist das meist kurzweilig und unterhaltsam, mitunter historisch interessant und gelegentlich auch lehrreich, ohne dabei belehrend zu klingen. Ein ideales Buch für den Nachttisch. Nur die verlagstypische Ausstattung mit schwerem Bilderdruckpapier verleidet einem die abendliche Lektüre: Die Arme werden schneller müde als die Augen.

Joachim Kolmer: Im Kranichwald. Tier- und Jagdgeschichten eines Försters, 2. erweiterte Auflage, Wage-Verlag 2015, zahlreiche Fotos und Zeichnungen, 339 Seiten, gebunden, 24,90 Euro

Das letzte Jahrhundert der Pferde

Als Bücher noch aufwändig lektoriert und gesetzt wurden, mussten sie wohl überlegt sein. Verlegt und also veröffentlicht wurde nur, was neu war oder so noch nie gesehen und gesagt. Autoren brauchten ein objet brut, wenn schon nicht als völlig neues, nie beschriebenes Blatt, so doch wenigstens als Gegenstand einer originären und originellen Betrachtung. Voraussetzungen solcher Bücher waren Wissen, akribisches Arbeiten, Begabung und auch verlegerischer Mut.

Gelegentlich tritt ein Buch den Beweis an, dass diese Zeit nicht vorbei ist. So ein Buch hat jetzt Ulrich Raulff mit „Das letzte Jahrhundert der Pferde“ vorgelegt. Das ist alles andere als ein gewöhnliches Pferdebuch! Ulrich Raulff ist kein Monty Roberts für Akademiker, sondern ein ungemein gebildeter Kulturhistoriker, Leiter des Deutschen Literaturarchivs Marbach und unter anderem ehemaliger Feuilletonchef der FAZ. 

Auf Reiterhöfen und Rennbahnen leben zwar heute hunderttausende Pferde, argumentiert Raulff, überhaupt sind Pferde auch im 21. Jahrhundert ein echter Wirtschaftsfaktor. Aber in der Zeit zwischen Französischer Revolution und erstem Weltkrieg hat sich der Mensch von seinem ehemals unverzichtbaren Partner Pferd getrennt. Und das nicht nur in der Alltagswirklichkeit auf den Äckern, Straßen oder Schlachtfeldern: Auch die Figuren des Wissens unter Forschern, Züchtern oder Malern dieser Zeit sind nach und nach in Vergessenheit geraten, genau wie die Metaphern und Repräsentationen, in denen sich die Ideen von Macht, Freiheit oder Größe ausdrückten. Das alles hat weniger mit den Pferden als solchen zu tun als vielmehr mit denen, die sich ein Bild von sich selbst machen: den Menschen.

Ein kluges, lehrreiches, die Leser forderndes Buch, das völlig zurecht für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert war – also keingeeignetes Geschenk für pubertierende Töchter. 

Ulrich Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung, Verlag C.H.Beck 2015, 461 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Farbtafeln, in Leinen gebunden, 29,95 Euro

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Karte der Wildnis

Durch das Fenster zur Straße kamen nur eierschalenfarbene Taxis und betrunkene Punks in Anblick. Wahrscheinlich hatte ich deswegen die Karte von Schottland an die Wand meines Kölner Studentenzimmers gepinnt. Der Norden, die Highlands, die zerklüfteten Küsten – das waren echte Sehnsuchtsorte für den dünnbesohlten Großstadtbewohner. Wild und ursprünglich und sehr weit weg vom Zülpicher Platz.

Dabei dachte ich seinerzeit nicht unbedingt an die Jagd, nicht an Rothirsche oder Moorhühner. Vielmehr sah ich mich als einsamen Wanderer in endloser Weite. Wobei Wanderer nicht das richtige Wort ist: Trekking wurde das seinerzeit genannt und war total hip. Wahrscheinlich hätte ich mich von Kopf bis Fuß in Jack Wolfskin-Klamotten gehüllt, wenn ich denn tatsächlich aufgebrochen wäre. Das ist mir heute, bald 30 Jahre später, ein bisschen peinlich. 

Den alten Traum von Schottland hat mir jetzt das wunderbare Buch Karte der Wildnis von Robert Macfarlane wieder in Erinnerung gerufen. Macfarlane, der in Cambridge Literatur lehrt, ist auf die Suche nach der wilden, rauen, ursprünglichen Natur gegangen. Aus seinen Wanderungen und Erkundungen in Großbritannien und Irland hat er eine „Prosakarte der Wildnis“ gezeichnet, hat eine grandiose Collage zusammengefügt aus Reiseberichten und Landschaftsbeschreibungen, historischen und naturkundlichen Exkursionen, philosophischen Gedanken und literarischen Seitensprüngen. So ein Buch hätte ich damals am Zülpicher Platz gebraucht, anstelle der zweidimensionalen Landkarte!

Robert Macfarlane, Karte  der Wildnis, erschienen 2015 in der Reihe Naturkunden bei Matthes & Seitz, 303 Seiten gebunden, 34,- Euro

Ein differenzierender Blick

Nach den beiden jüngsten Massakern in den USA, die mich erschüttert haben und beängstigen, wird wieder der Ruf nach einer Verschärfung der Waffengesetze zu hören sein. Das ist verständlich und richtig, jedenfalls für die USA. Fast 400 Millionen Waffen sind im Privatbesitz der rund 330 Millionen Amerikaner, und deren Erwerb ist nach wie vor nahezu unkontrolliert. Mächtige Lobbyisten, allen voran die NRA und Präsident Trump selbst, sorgen dafür, dass sich daran nichts ändert. Und sie nehmen billigend in Kauf, dass auch verstörte Rassisten oder depressive Teenager Sturmgewehre und andere Kriegswaffen in die Hände bekommen.

In ihrem heute erschienen Leitartikel kritisiert Marina Kormbaki vom RedaktionsNetzwerk Deutschland, das rund 50 Tageszeitungen mit überregionalen Inhalten beliefert und also Millionen Leserinnen und Leser erreicht, diese Politik. Sie fördere nicht nur den privaten Waffenbesitz, sondern schüre auch eine Stimmung im Land, die das Waffentragen verherrliche. Und die Autorin differenziert klug: „Hier wollen nicht Jäger oder Sportschützen ihren Bedarf decken – sondern Bürger, die sich im Kampf wähnen.“ Jagd- und Sportwaffen werden also nicht in Bausch und Bogen verdammt, obwohl das gerade heute sicherlich viele gerne lesen würden. Das ist guter Journalismus!

Wir Jäger haben ein berechtigtes Interesse Jagdwaffen zu führen. Die deutschen Gesetze zum Erwerb, Besitz, Aufbewahren und Führen solcher Waffen mögen uns manchmal streng und bürokratisch erscheinen – ich halte sie für vorbildlich und nehme die daraus folgenden Vorschriften und Beschränkungen gern in Kauf.

Schnittmenge der Scheinheiligkeit

Gleich mehrere Beiträge der aktuellen Ausgabe der ZEIT (No. 32 vom 1. August 2019) prangern Scheinheiligkeiten in der Klimadebatte an: Im Leitartikel fordert Bernd Ulrich endlich entschlossenes Handeln der Politik statt vollmundiger Deklaratorik, dagegen sei die Inkonsequenz vieler Klimaschützer eher eine „Nebenfrage“ (S. 1). Zukunftsforscher Stephan Rammler konstatiert im Interview den Handlungsdruck, aber anders als in den 70er und 80er Jahren sei Umweltpolitik heute nicht mit mehr eine Frage technischer Lösungen (Katalysator, Filter etc.), vielmehr müsse ein „neuer Generationenvertrag“ geschlossen werden, der jeden einzelnen betreffe (S. 4). Hanno Rauterberg thematisiert im Feuilleton die Scheinheiligkeit der Kunstwelt, die einen ökologischen Fußabdruck produziere, der „ähnlich maßlos ist wie der Geltungsdrang der Branche“; die derzeit allerorten gezeigte „Klimakunst“ diene zuallererst dem Greenwashing (S. 33). Und im Beitrag von Henning Sussebach fragt sich Landwirt Franz Lehner, ob die urbanen Bienenretter und die deutschen Reiseweltmeister wohl dieselben Menschen sind, ob es da „eine Schnittmenge der Scheinheiligkeit“ gebe (S. 26).

Erstaunlich ist nicht die Omnipräsenz des Themas. Erstaunlich ist die unverhohlene Kritik an einem urbanen Milieu, aus dem ein Großteil der Leserschaft der ZEIT stammen dürfte. Das grenzt ja schon an Publikumsbeschimpfung! Wahrscheinlich hofft die Redaktion, dass Landwirt Lehner Recht hat in seiner Annahme, „urban“ sei weniger geografisch zu verstehen als vielmehr charakterlich.

Die Geschichte der Bienen

Seit gut 10 Jahren sterben die Bienenvölker. Colony Collapse Disorder oder kurz CCD wird dieses bis heute rätselhafte Phänomen genannt. Insbesondere in Nordamerika ist das zum existenzbedrohenden Problem geworden, und das nicht nur für die Großimker, die mit ihren Trucks und Bienenbeuten quer durch die Vereinigten Staaten ziehen. Sondern für die Menschen insgesamt. Unter Verdacht das Sterben auszulösen stehen Insektizide und Fungizide, aber auch die Chemikalien und Antibiotika, mit denen die Imker selbst ihre Bienen behandeln.

Die norwegische Autorin Maja Lunde hat dieses ebenso drängende wie aktuelle Thema 2015 in einem Roman verarbeitet. Der ist mittlerweile preisgekrönt, in viele Sprachen übersetzt und zum internationalen Bestseller geworden. Das muss zwar kein Qualitätsmerkmal sein, ist aber in diesem Fall wirklich gerechtfertigt: Lunde erzählt eine große Geschichte von Verzweiflung und Hoffnung, von Kinderliebe und Generationenkonflikten und von der existenziellen Verbindung zwischen Bienen und Menschen. Und das auf unterhaltsame, spannende und stellenweise auch beklemmende Art und Weise.

Drei Erzählstränge laufen zunächst parallel: Da ist der englische Samenhändler und erfolglose Naturforscher William, der 1852 eine neuartige Bienenbeute konstruiert, um die Anerkennung seines früheren Mentors und die Liebe seines Sohnes zu erlangen. Dann der amerikanische Großimker George, der sich nichts sehnlicher wünscht als die Rückkehr seines Sohnes in den Betrieb, bis er 2007 fast alle Bienen durch CCD verliert. Und schließlich Tao, eine junge Frau im China des Jahres 2098, die verzweifelt ihren kleinen Sohn sucht. Dessen mysteriöser Unfall auf einer Obstplantage scheint von ungeheurer Bedeutung für das ganze Land zu sein. Im Laufe des Romans, nur soviel sei verraten, verbinden sich die drei Stränge nach und nach und lassen einen kleinen Hoffnungsschimmer durchscheinen.

Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen, als Taschenbuch erschienen 2018 im btb Verlag, 528 Seiten, 11,00 Euro

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Freizeitvergnügen mit Nähr-Wert

Intensive Landwirtschaft und Krankheiten machen den Honigbienen und ihren wilden Verwandten zu schaffen. Im ersten Teil seines Beitrags hatte Halali-Autor Dr. Volker Pesch seinen Blick auf die konventionelle Imkerei gerichtet. In diesem zweiten Teil beschäftigt er sich mit der ökologischen Bienenhaltung. 

Mein Besuch bei einem konventionell arbeitenden Imker hat gemischte Gefühle ausgelöst (siehe Halali Nr. 2/2019). Am Ende standen die Fragen, ob diese auf Ertrag und Effizienz fokussierte Form der Bienenhaltung artgerecht und ob der Einsatz von Medikamenten und Säuren wirklich nötig ist. Gibt es vielleicht eine Imkerei, habe ich mich gefragt, die artgerecht und ökologisch ist und zugleich dem Imker einen ausreichenden Ertrag bringt?

Auf der Suche nach ersten Antworten bin ich mit einem jungen Imker verabredet. Jonah ist Landwirt und nach Ausbildung und Studium in den elterlichen Betrieb eingestiegen. Es ist ein ökologisch wirtschaftender Betrieb, der in erster Linie Milchvieh hält und einen Großteil seiner Ackerböden in mehrjähriger Fruchtfolge für den Anbau von Futterpflanzen nutzt. Eine kleine Oase inmitten der vorpommerschen Agrarwüste, dazu mit Streuobstwiese, alten Linden und anderen blühenden Bienenfreuden. 

Jonah hat das Handwerk zwar bei einem konventionellen Imkerpaten gelernt und seine ersten eigenen Völker entsprechend gehalten. Aber er plant auf mittlere Sicht, zumindest in kleinerem Ausmaß gewerblich zu imkern und diesen Betriebszweig nach den Richtlinien des Verbands Naturland e.V. zertifizieren zu lassen. Dann kann er den Honig als Bio-Honig vermarkten, das passt nicht nur zum Betrieb und seiner Lebensphilosophie, sondern erzielt auch einen höheren Preis. Deswegen richtet er seine Betriebsweise jetzt schrittweise danach aus.

Weiterlesen in HALALI Nr. 3/2019 

Der Boden unter unseren Füßen

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2015 zum Internationalen Jahr der Böden erklärt. Denn die Böden, so steht es in der Resolution der Generalversammlung, sind der Schlüssel zur Bewahrung des Lebens auf unserem Planeten. Halali-Autor Volker Pesch hat sich daraufhin den Waldboden genauer angesehen. 

Viele Mythen und Märchen führen tief in den deutschen Wald. Von der Schlacht im Teutoburger Wald über Hänsel und Gretel bis zum Schwarzwaldmädel. Kaum etwas ist so bedeutungsgeladen, um nicht zu sagen: so belastet. Historisch, ideologisch, mythisch. Allenfalls der Wolf kommt da noch mit.

Aber wer den Blick nur nach oben richtet, in die Kronen mächtiger Buchen oder zu den Spitzen dunkler Tannen, der muss sich vorsehen, nicht im Brombeergestrüpp zu straucheln oder über ein Totholz zu stürzen. Leicht könnte es ihm sonst ergehen wie Thales von Milet, jenem Philosophen, von dem Platon eine kleine Anekdote erzählt: Thales sei, als er astronomische Beobachtungen anstellte und deswegen angestrengt nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen. Darob habe ihn eine thrakische Magd lauthals ausgelacht. Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, habe sie gespottet, aber von dem, was direkt vor seinen Füßen liege, habe er keine Ahnung.

Nun sind thrakische Mägde selten im deutschen Wald, und insofern ist die Gefahr eher gering, hier von einer ausgelacht zu werden. Dann schon eher von Sauen, Rehen oder Rothirschen. Vielleicht würden sich auch die Myriaden von Klein- und Kleinstlebewesen amüsieren. Die unzählbaren Bakterien, Pilze, Bodenalgen und Geißeltierchen. Dazu die Fadenwürmer und Milben, Molusken, Asseln, Käfer, Larven, Kerbtiere und Würmer. Denn schließlich leben in jeder Handvoll gesunden Waldbodens mehr pflanzliche und tierische Organismen als Menschen auf dem Planeten Erde. Was wäre das für ein mächtiger Chor!

Wenn wir ihn denn hören würden. Aber wahrscheinlich ist all diesen Lebewesen ohnehin das Lachen längst vergangen. Denn es ist nicht gut bestellt um ihr gemeinsames Habitat. Die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen macht vor dem Waldboden nicht halt. Ganz im Gegenteil: der Wald stirbt auch von unten. Leise, aber erschreckend schnell.

Weiterlesen in HALALI Nr. 3/2015

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