Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2015 zum Internationalen Jahr der Böden erklärt. Denn die Böden, so steht es in der Resolution der Generalversammlung, sind der Schlüssel zur Bewahrung des Lebens auf unserem Planeten. Halali-Autor Volker Pesch hat sich daraufhin den Waldboden genauer angesehen. 

Viele Mythen und Märchen führen tief in den deutschen Wald. Von der Schlacht im Teutoburger Wald über Hänsel und Gretel bis zum Schwarzwaldmädel. Kaum etwas ist so bedeutungsgeladen, um nicht zu sagen: so belastet. Historisch, ideologisch, mythisch. Allenfalls der Wolf kommt da noch mit.

Aber wer den Blick nur nach oben richtet, in die Kronen mächtiger Buchen oder zu den Spitzen dunkler Tannen, der muss sich vorsehen, nicht im Brombeergestrüpp zu straucheln oder über ein Totholz zu stürzen. Leicht könnte es ihm sonst ergehen wie Thales von Milet, jenem Philosophen, von dem Platon eine kleine Anekdote erzählt: Thales sei, als er astronomische Beobachtungen anstellte und deswegen angestrengt nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen. Darob habe ihn eine thrakische Magd lauthals ausgelacht. Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, habe sie gespottet, aber von dem, was direkt vor seinen Füßen liege, habe er keine Ahnung.

Nun sind thrakische Mägde selten im deutschen Wald, und insofern ist die Gefahr eher gering, hier von einer ausgelacht zu werden. Dann schon eher von Sauen, Rehen oder Rothirschen. Vielleicht würden sich auch die Myriaden von Klein- und Kleinstlebewesen amüsieren. Die unzählbaren Bakterien, Pilze, Bodenalgen und Geißeltierchen. Dazu die Fadenwürmer und Milben, Molusken, Asseln, Käfer, Larven, Kerbtiere und Würmer. Denn schließlich leben in jeder Handvoll gesunden Waldbodens mehr pflanzliche und tierische Organismen als Menschen auf dem Planeten Erde. Was wäre das für ein mächtiger Chor!

Wenn wir ihn denn hören würden. Aber wahrscheinlich ist all diesen Lebewesen ohnehin das Lachen längst vergangen. Denn es ist nicht gut bestellt um ihr gemeinsames Habitat. Die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen macht vor dem Waldboden nicht halt. Ganz im Gegenteil: der Wald stirbt auch von unten. Leise, aber erschreckend schnell.

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