Dr. Volker Pesch

Texter | Journalist | Schriftsteller

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Winterwald

Wer an Tiere und Pflanzen des Waldes denkt, hat wohl nicht als erstes Winterbilder im Kopf. Wahrscheinlicher sind Bilder der grünen Fülle, Bilder von Frühling und Sommer oder auch Bilder der Jagd im Herbstlaub. Aber das wird der kalten Jahreszeit nicht gerecht: Im Winter ist der Wald zwar stiller und offener, aber unbelebter ist er natürlich nicht. Die Pflanzen folgen ihren Überlebensstrategien, und gerade im weißen Gewand finden sich allenthalben Spuren der oft gar nicht so heimlichen Waldbewohner.  

Deswegen richtet Ekkehard Ophoven seinen Blick auf den Winterwald. Der Autor stammt aus einem Jägerhaushalt, ist selbst passionierter Jäger, studierte Forstwissenschaften, verantwortet seit vielen Jahren das Jagdbuch-Programm im Kosmos-Verlag und hat auch selbst das eine oder andere Fachbuch verfasst. In zwanzig Kapiteln widmet er sich den Waldbewohnern, angefangen bei Bäumen und Pilzen über Rotwild, Wildschweine und Eichhörnchen bis zu Spechten und Habichten. Darin wechseln sich stimmungsvolle oder anekdotische Erzähl-Passagen und grundlegende (wild)biologische Beschreibungen zu den jeweiligen Arten ab. Es gelingt Ophoven ausgezeichnet, die Jägersprache für Nicht-Jäger zu übersetzen, ohne dabei oberlehrerhaft oder prätentiös daherzukommen.

Auch die überwiegend naturalistischen Aquarelle der französischen Illustratorin Sandra Lefrançois fangen die Stimmung im Winterwald wunderbar ein. Gleichwohl ist das nicht nur ein Buch für lange Leseabende am Kamin. Für Menschen mit grünem Abitur bietet es zwar wenig Neues, aber eine Wissensauffrischung auf unterhaltsame Art. Für alle anderen ist es ein prima Einstieg in die Biologie des Waldes, zumal die Beschreibungen weit über die winterlichen Besonderheiten hinausgehen.

Ekkehard Ophoven: Winterwald. Begegnungen mit Tieren und Pflanzen in der stillen Jahreszeit, erschienen 2020 im Franckh-Kosmos Verlag, 256 Seiten, gebunden, 36,00 Euro

Die Flinte

In fast keinem Jägerschrank dürfte die Flinte fehlen. Abgesehen von kombinierten Waffen ist sie sicher das vielseitigste Jagdgewehr: Mit Schrot geht es auf Fuchs und Taube, Hase und Fasan, in anderen Ländern auch auf Rehwild. Und mit „der Brenneke“ im Lauf brachten die Flintenjäger der DDR alles Schalenwild zur Strecke. Weil diese Kombination kaum fehleranfällig ist und durchschlagend im eigentlichen Sinne, schwört heute so mancher Nachsuchenführer darauf. Außerdem ist die Flinte bei Sportschützen beliebt, Trap und Skeet sind olympische Disziplinen.

Mit der jetzt vorliegenden Monografie hat Norbert Klups seine vierbändige Edition der beliebtesten Jagdwaffen abgeschlossen (Band I: Drilling, II: Doppelbüchse, III: Repetierer). Von der Geschichte der Schrotwaffen über Schlosse und Verschlüsse, Läufe und Schäfte, Bauarten und Konstruktionsmerkmale, Kaliber und Patronen bis zu Pflege und Gebrauchtwaffenkauf lässt der bekannte Fachautor und Schießtrainer keinen wichtigen Aspekt aus. Auch einige Kuriositäten aus der Geschichte des Flintenbaus werden vorgestellt, etwa die Becker-Selbstladeflinte aus den 20er Jahren mit ihrem markanten Trommelmagazin für 5 Patronen. Das großformatige Buch ist insgesamt informativ und – wie schon die anderen drei Bände der Reihe – reich und ästhetisch bebildert.

Für Liebhaber exklusiver Modelle ist die Beschränkung auf „große“ Flintenhersteller im entsprechenden Kapitel nicht wirklich nachvollziehbar. Denn „Größe“ bemisst sich hier an der Betriebsgröße und an Absatzzahlen. Folglich kommen kleine Edelschmieden wie beispielsweise Purdey nicht darin vor, wohl aber manch ein Hersteller kostengünstiger Fabrikflinten aus Kunststoff und Druckguss. Wer den Band als „unverzichtbares Nachschlagewerk“ nutzen möchte, wie die Verlagswerbung ihn preist, wird vielleicht ein Schlagwortregister für den leichteren Zugriff vermissen.

Norbert Klups: Die Flinte, erschienen 2020 im Heel Verlag, 240 Seiten, Großformat gebunden im Schuber, 49,95 Euro

Paludikultur – Landwirtschaft im Moor

Die Renaturierung land- und forstwirtschaftlich genutzter Moore ist vielerorts erklärter Wille. Für den Klimaschutz ist das ein effizientes Mittel, birgt aber auch erhebliches Konfliktpotenzial. Deswegen forschen Wissenschaftler an neuen Formen der nassen Landwirtschaft. Nicht absehbar sind die Folgen für Wild und Jagd, wie HALALI-Autor Dr. Volker Pesch beschreibt.

Das Ding erinnert an die Pistenraupe aus dem letzten Skiurlaub. Und das ist kein Zufall: es ist eine Pistenraupe. Zumindest ist das Fahrzeug dereinst zu diesem Zweck hergestellt worden. Es wäre also keiner besonderen Erwähnung wert, befänden wir uns nicht im Peenetal, in Mecklenburg-Vorpommern, im äußersten Nordosten der Republik. Der letzte nennenswerte Schneefall liegt hier bald zehn Jahre zurück, und das Land ist flach wie die Flundern in der nahen Ostsee. Skipisten werden hier auch in absehbarer Zukunft nicht angelegt. 

Die Raupe arbeitet sich vielmehr durch eine mit Schilf bestandene Wasserfläche. Sie ist zum Erntefahrzeug mit Spezialketten aus Gummi und einem Häckselwerk umgebaut worden. Bei sämtlichen Herstellern von Erntetechnik fand sich keine geeignete Maschine, denn die Ernte von Schilf ist nicht nur hierzulande eher ein Nischengewerk. Schilf wird nahezu ausschließlich als traditionelles Material zum Dachdecken genutzt. Deswegen wird es üblicherweise auch nicht als landwirtschaftliche Kultur angebaut, sondern nach Bedarf in natürlichen Beständen am Rand von Gewässern geschnitten.

Aber das könnte sich bald ändern. Denn Schilf kann mehr. Die Fasern der bis zu 4 Metern hohen Stengel binden Lehmputz und dienen als Rohstoffe von natürlichen Dämm- und Bauplatten. Und gehäckselter Schilf liefert hochwertige Biomasse zur Energiegewinnung. Hier, im Peenetal, wird praktisch erprobt, was Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ist: Der Anbau von Schilf kann wirtschaftlich durchaus ertragreich sein. Das Stichwort, mit dem sich solcherart Hoffnungen verbinden, lautet „Paludikultur“. […]

Lesen Sie den gesamten Artikel in HALALI Nr. 1/2021 ab S. 114 unter diesem Link.

Praxishandbuch Jagd

Im fortgeschrittenen Internet-Zeitalter gehört schon einiges an verlegerischem Mut dazu, ein über 650 Seiten starkes Handbuch der Jagd aufzulegen. Stolze 2389 Gramm bringt das gute Stück auf die Küchenwaage. Viele Verlage haben sich zuletzt aus dem Jagdsegment zurückgezogen, denn die stetig wachsende Jägerschaft ist keine wachsende Leserschaft. Jagdliteratur ist nicht mehr lukrativ. Umso lobenswerter ist es, dass man bei Kosmos – einem der letzten größeren Verlage, die noch ein umfangreiches Jagdprogramm bieten – offensichtlich gegen den Strom schwimmt und das Standardwerk „Praxishandbuch Jagd“ nicht nur lieferbar hält, sondern eine vollständig überarbeitete Neuausgabe besorgt hat. 

Als Herausgeber firmieren weiterhin Walter Bachmann und Rolf Roosen, die redaktionelle Bearbeitung lag in den Händen von Ekkehard Ophoven. Unter den Mitarbeitern sind namhafte Autoren wie Friedrich K. von Eggeling oder Herbert Kalchreuter. Der reich bebilderte Text ist in fünf Teile gegliedert (Das Wild, Das Revier, Die Jagd, Die Jagdhunde und Die Jagdtrophäen) und jeweils thematisch in mehrere Kapitel und zahlreiche Unterkapitel aufgeteilt. Laut Eigenwerbung enthält das Buch „alles, was Jagdscheinanwärter, Jungjäger und ‚alte Hasen‘ über Wild, Hege und Jagdpraxis wissen müssen.“

Tatsächlich lässt sich im „Praxishandbuch Jagd“ unterhaltsam und gewinnbringend schmökern, auch wenn die Gewichtung der Jagdtrophäen als eigenständiger Teil etwas anachronistisch anmutet. Es ist aber ohnehin weder ein Lehrbuch zur gezielten Vorbereitung auf die Jägerprüfung noch ein „echtes“ Nachschlagewerk von A bis Z. Wer sich intensiver mit einem der vielen Themen befassen will, wird nicht umhinkommen, zur Fachliteratur zu greifen. 

Walter Bachmann und Rolf Roosen (Hrsg.): Praxishandbuch Jagd. Ein Nachschlagewerk für Jägerinnen und Jäger, erschienen 2020 im Franckh-Kosmos Verlag, 656 Seiten, 68,00 Euro

Er ist da

Im Jahr 2000 wurden auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die ersten Welpen gewölft. Bis dahin galt der Wolf hierzulande als ausgerottet, abgesehen von gelegentlichen Grenzgängern, die in aller Regel sofort zur Strecke gebracht wurden und kaum weitere Erwähnung fanden. Keine 20 Jahre später, im Monitoringjahr 2018/19, sind 105 Rudel bestätigt, dazu 25 Paare und 13 sesshafte Einzelwölfe. Als streng geschützte Art ohne natürliche Feinde vermehrt sich der Wolf exponentiell. Insofern ist der Titel ebenso einfach wie sachlich richtig: Er ist da.

Und der Titel ist Programm. Es ist Klaus Hackländers erklärter Anspruch, die mitunter erbittert geführte Debatte um das Ob und Wie der Wiederansiedlung des großen Raubtiers zu versachlichen. Der Inhaber des Lehrstuhls für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien schlägt sich weder auf die Seite der Wolfskuschler noch auf die der Dämonisierer. Er stellt und beantwortet insgesamt 40 Fragen, etwa „Was ist ein geeigneter Lebensraum für Wölfe?“, „Führt der Wolf zum Aussterben von Wildtierarten?“ oder „Was kostet der Wolf?“. Seine Antworten sind gut recherchiert und wissenschaftlich fundiert, aber sie werden nicht jedem schmecken.

Zum Beispiel die Antwort auf die Frage, ob die Jagd ein gutes Mittel ist, um Schäden an Nutztieren zu verhindern: Ja, lautet sie, aber nur dann, wenn sie sehr intensiv und ausdauernd betrieben werde. Die Geschichte zeige, dass Wölfe verschwinden, wo sie konsequent verfolgt werden. Aber solch eine Verfolgung sei in Europa nicht mehrheitsfähig und also keine Option. Eine selektive Einzelbejagung, wie sie beispielsweise in Slowenien praktiziert werde, bringe dagegen keine merklichen Effekte. Und diverse wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten, dass Einzelabschüsse kein probates Mittel zum Schutz von Nutztieren seien, sondern möglicherweise die Probleme noch verschärfen könnten. 

Klaus Hackländer: Er ist da. Der Wolf kehrt zurück, erschienen 2020 im Ecowin-Verlag, 224 Seiten, 24,00 Euro

Auf der Pirsch

Sophia Lorenzoni ist den Leserinnen und Lesern der deutschen Jagdpresse keine Unbekannte: Sie war Volontärin im Paul Parey Verlag, bei der „Deutschen Jagdzeitung“ und „Jagen Weltweit“, und sie war in dieser Eigenschaft auch in dem einen oder anderen Film auf „DJZ-TV“ zu sehen. Heute arbeitet sie für den Landesjagdverband Baden-Württemberg im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Dabei war ihr dieser Weg nicht familiär vorgeebnet, eher im Gegenteil: Ihr Interesse für die Jagd und der Entschluss, das grüne Abitur anzugehen, sorgten in ihrer Familie und unter Freunden zunächst für Befremden.

Das erzählt sie in einer der vielen biografischen Passagen ihres ersten Buches „Auf der Pirsch“. Überhaupt sind eigene Gedanken, Erfahrungen und Erlebnisse der Ausgangspunkt aller Kapitel des Buches, ganz gleich, ob es darin um das Jagen und Töten geht, oder um Waidgerechtigkeit, Hundeausbildung, Waidmannssprache, Brauchtum, Wildunfälle, unterschiedliche Jagdarten und nahezu sämtliche Aspekte der modernen Jagd. Das mag erstaunen angesichts der Tatsache, dass die junge Frau erst 2015 ihre Jägerprüfung gemacht hat. 

Aber genau das ist vielleicht auch eine Stärke des Buches: Es ist ein frischer, unverstellter, junger Blick auf die Jagd. Dabei hält die Autorin der leider immer noch oft testosterongesteuerten Jägerschaft manchen Spiegel vor. Auch von überraschenden Jagdeinladungen mit zweifelhaften Absichten kann sie berichten. Vor allem aber sprechen aus jeder Zeile ihre Passion für das jagdliche Handwerk und eine tiefe Liebe zur Natur. Und Lorenzoni schreibt auch offenherzig von Gewissensbissen beim Töten eines Lebewesens, eigenen Fehlschüssen und Selbstzweifeln. 

Zielgruppen des Buches dürften Jugendliche und junge Erwachsene sein, die sich für die Jagd interessieren, aber noch wenig Berührung damit hatten. Deswegen wird jeder Begriff aus der Jägersprache erklärt, was den Text stellenweise etwas schulmeisterlich wirken lässt. 

Sophia Lorenzoni: Auf der Pirsch. Von Jagdhunden, Gewissensbissen und der Liebe zur Natur, erschienen 2020 bei BLV im Gräfe und Unzer Verlag, 240 Seiten, 16,99 Euro

Die Erfindung einer Tradition

Über Hubertusmessen und deren Namensgeber als Schutzpatron der Jagd 

Der heilige Hubertus wird im deutschsprachigen Raum als Schutzpatron der Jagd verehrt, und der 3. November wird als Hubertustag begangen, mit Hubertusjagden und jagdlich geschmückten Hubertusmessen. Dabei wurde dem Bischof von Lüttich diese Verehrung erst nach Jahrhunderten zuteil. Und die Tradition der Hubertusmessen ist sogar eine moderne Erfindung.

Von Volker Pesch

Rund um den Hubertustag schmettern die Hörner. Historisch uniformierte Musiker blasen druckvoll in geschwungene Parforcehörner, unterstützt von Bläsergruppen mit Jagd- oder Waldhörnern. Tannengrün, Tierpräparate und Trophäen schmücken auch evangelische Kirchen, als sei hier die Heiligenverehrung in Theologie und Liturgie nie abgeschafft worden. Frauen und Männer im grünen Rock ziehen feierlich ein und nehmen im Chorraum Platz, wo ehedem nur Kleriker, Ordensbrüder oder adelige Herren saßen. In den Predigten geht es um nicht weniger als die Bewahrung der Schöpfung und den Wert jeglicher Kreatur. Den heimlichen Spruch aller Hubertusmessen dichtete Oberförster Oskar von Riesenthal im Jahre 1880: „Das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild. Waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt!“

So weit, so stimmungsvoll. Aber was wie eine uralte, heute manchmal etwas archaisch anmutende Tradition daherkommt, ist tatsächlich vergleichsweise jung […]

Weiterlesen in:
Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung, Nr. 43/2020 oder hier als jpg

Hanebüchen

Im Beitrag „Jäger*innen“ im Magazin JÄGER Nr. 1/2021 (S. 32-34) sorgt sich Florian Asche um die Waidmannssprache. Dass dieser Autor kein Leisetreter ist, habe ich schon an anderer Stelle bemerkt (siehe Paranoia der Medien). Diesmal spricht er anlässlich eines ministeriellen Schreibens, in dem das Sternchen-Symbol als geschlechtsneutrale Pluralform genutzt wird, allen Ernstes von einem „Sprachputsch“ des „linksalternativen Establishments von Linken bis zur CDU“. Und unter Verweis auf den Duden droht er dem Verfasser, einem Sachbearbeiter, eine Dienstaufsichtsbeschwerde an. 

Man muss kein Freund des Gender-Sternchens sein, um diesen Beitrag hanebüchen zu finden. Gibt es beim JÄGER keine redaktionelle Prüfung eingesandter Manuskripte? 

Zur Sache sei in aller Kürze angemerkt: 
1. Deutsch ist eine lebende Sprache. Sie verändert sich mit der Kultur, in der sie gesprochen wird. Sprache bildet Wirklichkeiten ab und schafft sie fortlaufend über Begriffe, Denk- und Auslegungsmuster.
2. Der Duden schreibt die deutsche Sprache nicht vor. Er notiert lediglich deren Entwicklung. Sollte sich das Gender-Sternchen durchsetzen, wird es dereinst auch im Duden stehen.
3. Die deutsche Sprache hat sich in einer männerdominierten Kultur entwickelt. Die Hälfte der Menschen – nämlich die Frauen – werden darin in vielerlei Hinsicht nicht abgebildet, unter anderem in der allgemeinen Pluralbildung.
4. Gleiches trifft auch für jene Menschen zu, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen lassen. 
5. Heute sind Frauen gleichberechtigt und in allen Lebensbereichen präsent, und auch Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten müssen sich nicht mehr schamvoll verstecken. Diese Veränderung unserer Kultur ist zuletzt rasant verlaufen – vielleicht so rasant, dass manch einer nicht mitgekommen ist.
6. Über die Form der geschlechtsneutralen Pluralbildung können und sollten wir sachlich streiten, zumal die derzeit praktizierten Formen allesamt recht sperrig sind: Sternchen, Unterstrich, Binnen-I oder auch das angehängte X lassen sich weder flüssig schreiben noch sprechen. Wirklich geschlechtsneutral und zugleich sprachlich schön wäre vielleicht eine dritte, ganz neue Pluralform, etwa ein an den Wortstamm gefügtes „-es“, wie wir es von eingedeutschten lateinischen Wörtern kennen (z.B. „Doktores“).

Wenn in ministeriellen Schreiben Gender-Sternchen genutzt werden, ist das also ganz sicher kein Grund zur Sorge. Das Amtsdeutsch war ohnehin nie für sprachliche Schönheit bekannt. Die deutsche Sprache bleibt lebendig und wird ebenso weiterleben wie die Waidmannssprache. Der Untergang des Abendlandes bleibt wieder einmal aus. 

Ganz normaler Wahnsinn?

Wenn die Verlage über rückläufige Verkaufszahlen, den Niedergang des Buchwesens im Allgemeinen und die Undankbarkeit der Leserschaft im Besonderen klagen, sollten sich Verleger und Lektoren auch einmal an die eigene Nase fassen. Könnte das, so sollten sie sich vielleicht fragen, auch mit Masse und Qualität zu tun haben? Müssen beispielsweise, wenn sich Bücher von Martin Rütter, Cesar Millan oder Anton Fichtlmeier gut verkaufen, zwingend 27 weitere Titel in der Sparte „Hundeflüsterei“ erscheinen, und zwar pro Verlag und Jahr?

Bei Käufer oder Leserin führt das schnell zu gähnender Langeweile und Verdruss. Immerhin kosten ja selbst Paperbacks oder Englische Broschuren heute schnell mal 18 oder 22 Euro, gebundene Bücher häufig noch mehr. Wenn dann mal wieder so ein überflüssiges Werk auf Nimmerwiedersehen oben links im Bücherregal verschwindet, ist mitunter der Gedanke naheliegend, die nächste Neuerscheinung zu ignorieren und stattdessen Hundevideos bei YouTube anzuschauen. Die belasten weder Portemonnaie noch Regal. Und das Beste daran: schlechte Filmchen lassen sich einfach wegklicken.

Anlass dieser Gedanken ist ein Taschenbuch, das 2020 bei Kosmos erschienen ist (wobei ausdrücklich gesagt sei, dass Kosmos einer der wenigen Verlage ist, die in großer Zahl überaus lesenswerte Titel zu Natur und Jagd im Programm führen): „Der ganz normale Wahnsinn“ von Perdita Lübbe-Scheuermann und Frauke Burkhardt. Erklärtermaßen ist das Buch der beiden erfahrenen Hundetrainerinnen kein Ratgeber, sondern soll „kurzweilige Lektüre mit viel Mut zur Wahrheit“ sein. Der Verlag nennt es „frech, provokant, tiefgründig“. Das weckt Erwartungen.

Aber dann folgt Seite auf Seite voller Trivialitäten, Lamento und Spott. Von ganz hoher Warte blicken die beiden auf Hundetrainer, Hundeschulen, Hundehalter und ein wenig auch auf Hunde herab, und nach 88 Seiten weiß der tapfere Leser immerhin soviel: alle doof (außer den Hunden). Was fehlt sind lehrreiche oder unterhaltsame Geschichten, gute Fallbeispiele, interessantes Hundewissen oder irgendetwas, das Erkenntnisgewinn oder Lesespaß verschaffen würde. Bei diesem Buch ist weniger „Mut zur Wahrheit“ gefordert als vielmehr Mut zum Weiterlesen, zumal der Stil, vorsichtig formuliert, eher gewöhnungsbedürftig ist.

Ob das noch bis zum Ende auf Seite 208 so weitergeht, kann ich nicht sagen – denn ich habe, das gebe ich zu, diesen Mut nicht aufgebracht. Das kommt bei mir selten vor. Aber auf dem Stapel meiner zu rezensierenden Bücher liegen noch einige vielversprechende Titel, und auch meine (Lese)Zeit ist ja begrenzt und will nicht verschwendet sein.

Perdita Lübbe-Scheuermann und Frauke Burkhardt, Der ganz normale Wahnsinn. Von Hunden und ihren Menschen, Franckh-Kosmos Verlag 2020, 18,00 Euro

Der kahlköpfige Rabe

Der Kormoran galt hierzulande schon als ausgerottet. Dank vieler Artenschutzbemühungen haben sich die Bestände in den letzten Jahrzehnten wieder erholt, aber nicht selten gehen die schwarzen Vögel massiv zu Schaden. Auf der Basis von Ausnahmeregelungen dürfen sie vielerorts wieder bejagt werden.

Text: Dr. Volker Pesch

Foto: Halali

Er ist nicht einmal im Prachtkleid farbenfroh, seine Stimme klingt heiser bis krächzend, und auf Speisekarten findet man ihn eher selten. Selbst der gute alte Taschenatlas der Vögel, seit den Sechzigerjahren Standard im Bücherregal aller Hobbyornithologen, kann dem Vogel wenig abgewinnen: „Dieser schwarze, grünlich glänzende Bursche richtet manchen Schaden an“, heißt es dort, „und trotzdem schützen wir ihn. Schon sein Äußeres ist etwas exotisch […].“ Als Nahrungskonkurrent wurde er über Jahrhunderte scharf bejagt und galt im mitteleuropäischen Binnenland um 1920 als nahezu ausgerottet.

Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnten sich aber wieder größere Populationen etablieren, heute gelten die Bestände als stabil. Das ist ein Erfolg des Artenschutzes. Aber Angler, Fischer und Teichwirte wollten dem gefiederten Fischräuber am liebsten wieder den blutigen Garaus machen. Und weil manch ein Umweltminister diesem Anliegen nicht ganz ablehnend gegenüberstand und seinem Bundesland bereits ein „Management“ verordnet hatte, haben ihn NABU und LBV 2010 sicherheitshalber zum Vogel des Jahres gekürt. Eine Provokation, die viel Aufmerksamkeit gebracht, aber die Diskussion nicht eben versachlicht hat…

Lesen Sie den gesamten Beitrag in HALALI Nr. 4/2020 ab S. 122 oder hier als pdf.

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