Dr. Volker Pesch

Texter | Journalist | Schriftsteller

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Wie funktioniert ein Vogel?

Cover Wie funktioniert ein Vogel

Ornithologie als Hobby, neudeutsch auch Birdwatching genannt, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Entsprechend groß ist mittlerweile die Zahl an voluminösen Büchern zur Vogelbestimmung oder mit Portraits einzelner Arten oder Familien, am Kiosk gibt es gleich mehrere Special Interest-Magazine und natürlich macht auch das Internet zahllose Angebote. Hier spielt Multimedia sogar besondere Stärken aus, etwa wenn Artenportraits mit Videos und Tonaufnahmen der Gesänge verbunden werden.  

So ist es eigentlich verblüffend, dass Hans-Heiner Bergmann mit einer kleinen und eher schnörkellosen Monografie eine echte Lücke schließen kann: Er liefert allgemeines Grundwissen über Vögel. Sein Taschenbuch bietet eine kurze und allgemeinverständliche Erläuterung, wie ein Vogel „funktioniert“. Es basiert auf dem Standardwerk des Autors „Die Biologie des Vogels“ von 1987, wurde aber vollständig überarbeitet und auf den neuesten Stand der Forschung gebracht.

Was ist eigentlich ein Vogel? Wie ist das Skelett dieser befiederten Wirbeltiere beschaffen? Wie atmen sie? Woraus bestehen ihre Federn, wie haben sich die Vögel stammesgeschichtlich entwickelt, wie entwickelt sich jedes einzelne Individuum, welche Rolle spielt ein Vogel im Ökosystem? Und warum fällt ein schlafender Vogel nicht vom Baum? Solche und andere Fragen beantwortet der renommierte Ornithologe und Fachautor, ehemals Professor an der Universität Osnabrück, auf ebenso fundierte wie leicht verständliche Weise, illustriert mit zahlreichen Fotos und Grafiken. Ein echter Gewinn für die Bibliothek eines jeden Birdwatchers, und auch ein passionierter Hobbyornithologe wird daraus noch Gewinn ziehen.

Hans-Heiner Bergmann: Wie funktioniert ein Vogel? Quelle & Meyer Verlag 2022, 152 Seiten, Taschenbuch, 16,95 Euro

Praxistipps für Jäger

Cover Praxistipps

Jeder kennt sie aus den Jagdzeitschriften: die Praxistipps von Jägern für Jäger (Jägerinnen selbstredend eingeschlossen). Meist locken die Redaktionen mit ein paar Euro für jede Einsendung, und oft wird ein besonderer Tipp „des Monats“ oder „der Redaktion“ besonders prämiert. Mitunter sind unter dieser Rubrik Ratschläge zu finden, die aus einer frühen Otto Waalkes-Sendung stammen könnten (ältere Leser*innen werden sich daran erinnern, wie man aus Papas Hifi-Boxen zwei dufte Hamsterkäfige macht…); manches ist so trivial, dass man den Mut zur Lächerlichkeit des Einsendenden nur bewundern kann; aber anderes ist tatsächlich hilfreich und wird fortan dankbar in den eigenen jagdlichen Alltag aufgenommen.

So oder ähnlich lassen sich auch die „500 Praxistipps für Jäger“ beschreiben, die der Kosmos-Verlag gerade aufgelegt hat. Manche dieser Tipps sind zum Schmunzeln, andere trivial, viele echt nützlich. Zumal hier zwei wirklich erfahrene Praktiker für die Auswahl und Zusammenstellung verantwortlich zeichnen: Gert G. von Harling muss wohl nicht eigens vorgestellt werden, er gilt als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Jagdautoren im Unterhaltungsbereich und hat auch diverse Sachbücher vorgelegt, zuletzt etwa über Jägerbräuche im Wandel. Und Carsten Bothe kennt man als Fachbuchautor und Betreiber einer „Lagerfeuerkochschule“.

Die Tipps sind thematisch in sieben Kapiteln sortiert – beispielsweise Optik und Waffen, Jagdhund oder Trophäen – und reichhaltig mit Fotos und Grafiken veranschaulicht. Trotz des eher knappen Stichwortregisters ist das Buch aber weniger ein Nachschlagewerk als vielmehr ein anregendes Kompendium für stille Stunden in der Jagdhütte. 

Gert G. von Harling und Carsten Bothe: 500 Praxistipps für Jäger. Erfolgreich durch den Jagdalltag, Franckh-Kosmos Verlag 2023, 190 Seiten Broschur, 22,00 Euro

Unter Bäumen

Cover Unter Bäumen

Wir schützen nur, was wir kennen und lieben. Das ist keine neue Erkenntnis, und es ist gedanklicher Ausgangspunkt jenes Genres der Literatur, das Nature writing genannt wird. An dieser Stelle wurden schon zahlreiche Bücher vorgestellt, etwa aus der Reihe „Naturkunden“ bei Matthes & Seitz, die hier Vorreiter im deutschsprachigen Raum war.

Jetzt hat der Hamburger KJM Buchverlag im Verbund mit europäischen Partnerverlagen unter dem Namen „European Essays on Nature and Landscape“ eine neue Reihe mit aktuellen und sehr persönlichen Zugängen zu Landschaften und Naturphänomenen begonnen. Die Essays sind tief gegründet auf eigenem Erfahren und Erleben, geschrieben von Autorinnen und Autoren, die in den jeweiligen Landschaften verwurzelt sind. Aber es sind keine Reiseberichte, sondern Sachtexte, die Geologie, Ökologie und Schutz ebenso fokussieren wie Politik, Kultur und Nutzung. Die hochwertig gebundenen und sehr ästhetisch illustrierten Bände enthalten außerdem interessante Zusatzinformationen, abrufbar über QR-Codes.

Einer der ersten Bände ist „Unter Bäumen“ von Helmut Schreier. Darin erzählt der Philosoph und Naturkundler von Bäumen und Wäldern als Landschaftsgestalter, Teil der Biozönose, Erholungsort und Wirtschaftsfaktor. Fünf Waldstücke an der mittleren Elbe dienen ihm als persönliche Erfahrungsräume. In seinem Essay verwebt er geschickt Erzählungen mit biologischen und forstwirtschaftlichen Zusammenhängen und philosophischen Betrachtungen. Auch die Jagd wird mehrfach angesprochen, etwa anlässlich der Teilnahme des Autors an einer Trauerfeier für den verstorbenen Leiter des Forstamts Göhrde. Neben Bänden über „Heide“, „Strand“ oder „Randmeer“ ist das ein vielversprechender Auftakt zu den „European Essays“.

Helmut Schreier: Unter Bäumen, KJM Buchverlag 2023, 144 Seiten gebunden, 20,00 Euro

Sensible Spezialisten

Mit tausenden Arten bilden Schmetterlinge nach den Käfern die zweitgrößte Ordnung der Insekten. Bunte Tagfalter machen dabei nur einen kleinen Teil aus, die große Mehrheit der Arten ist eher unscheinbar und nachtaktiv. Aber alle stellen besondere Anforderungen an ihre Habitate, wie Halali-Autor Dr. Volker Pesch beschreibt.

Anfang der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts machte eine These von Edward Lorenz Schlagzeilen: Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann in Texas einen Orkan auslösen! In komplexen Systemen wie dem Wetter, das wollte der Meteorologe damit sagen, können schon kleinste Veränderungen eine Vorhersage der weiteren Entwicklung unmöglich machen. 

Unter dem Begriff „Schmetterlingseffekt“ hat diese Erkenntnis Aufnahme ins Handbuch des populären Halbwissens gefunden. Er wird heute gern für die ebenso allgemeine wie triviale Erkenntnis genutzt, dass kleine Ursachen mitunter nicht kontrollierbare Wirkungen haben können. Das hat zwar mit Lorenz‘ ursprünglicher These wenig zu tun, ist aber ein starkes Bild.

Und ein gut gewähltes dazu. Denn Schmetterlinge sind der Inbegriff natürlicher Schönheit, Zartheit und Verletzbarkeit. Die Behauptung, ein Flügelschlag von Admiral, Zitronenfalter oder Kohlweißling könne einen todbringenden Sturm bewirken, ist nachgerade empörend. Weil es mit diesem Widerspruch spielt, bleibt das Bild so gut im Gedächtnis.

[…]

Lesen Sie den gesamten Beitrag in HALALI Nr. 3/2021

Die falschen Feuer von Thiessow

Eine Erzählung von Volker Pesch

Google Maps Rügen

in: Karin Braun und Gabriele Haefs (Hrsg.), Piratengeflüster, Hamburg 2022, S. 333-347

Seit er denken konnte, hatte er dem Vater geholfen. Hatte winters Netze geknüpft, für die alte Reuse in der Wiek und den kleinen Heuer, mit dem sie auf dem Rügischen Bodden fischten, solange kein Eis war oder schwerer Sturm. Hatte mit ihm Planken über Wasserdampf gebogen und die rotbraunen Segel geloht mit der stinkenden Brühe aus Eichenrinde, Leinöl und Wurzelteer. Immer und immer wieder, Jahr um Jahr, bis das Baumwolltuch brüchig war und sich neues gefunden hatte, als günstiger Kauf oder angespült am Oststrand. Hatte mit der Ahle und gewachstem Garn Pützeimer und Persenninge aus den alten Fetzen genäht, und im flackernden Licht der Kerzen Leinen gespleißt als Festmacher, Schoten und Falle. Alles, was er konnte, hatte Krischan Kaldevitz vom Vater gelernt, hier in dem windschiefen Holzschuppen hoch über der See.

Aber heute war etwas anders als sonst … (Lesen Sie hier die ganze Erzählung).

Kolkrabe

Cover Kolkrabe

Corvus corax, der größte Singvogel der Welt, fasziniert und verängstigt die Menschen seit jeher. Alles mögliche wurde dem Kolkraben angedichtet, mal wurde er vergöttert, dann wieder scharf bejagt. Seine Fähigkeit, die unterschiedlichsten Lebensräume zu besiedeln, vom Hochgebirge über die Kulturlandschaft bis in den urbanen Raum, ist ebenso erstaunlich wie seine Intelligenz. Erstaunlich sind auch seine Flugakrobatik und das komplexe Sozialverhalten, das uns Menschen gar nicht unähnlich zu sein scheint. Und sein dunkler Ruf, der in kalter Winterluft weit getragen wird. 

Unter den vielen Publikationen über Rabenvögel ragt Heinrich Hallers Buch „Der Kolkrabe“ heraus. Und das vor allem ästhetisch: Das schwere Naturpapier mit rauer Oberfläche verleiht diesem gewichtigen Bildband im Querformat 24 x 30 cm eine besondere Optik und Haptik, die hervorragend zur Bildsprache passt (und den vergleichsweise hohen Preis rechtfertigt). Die informativen Texte sind eher kurz gehalten, entsprechend der erklärten Absicht des Fotografen und Autors, ein persönliches Porträt vorzulegen und kein wissenschaftliches Fachbuch. 

Haller war bis zu seiner Pensionierung 2019 Direktor des Schweizerischen Nationalparks, dem ältesten Nationalpark der Alpen und Mitteleuropas, gelegen im Kanton Graubünden in der östlichsten Ecke der Schweiz. Wissenschaftlich befasste er sich unter anderem mit Wildtieren und Wilderei, außerdem lehrte er Gebirgsökologie an der Uni Göttingen. Die meisten seiner beeindruckenden Fotografien im Band sind dann auch in den Alpen entstanden. Haller hat in erster Linie Bilder ausgewählt, die typisches Verhalten der Kolkraben zeigen, etwa Balzflüge, Raben im Horst, beim Aasfressen oder im Zweikampf. Einige Bilder entstanden auf Reisen des Autors in anderen Teilen der Welt, und vereinzelt hat Haller auch andere Tierarten des Gebirges abgelichtet. 

Heinrich Haller: Der Kolkrabe. Totenvogel, Götterbote, tierisches Genie, Haupt Verlag 2022, 216 Seiten gebunden, 49,00 Euro

Ackerpflanzen und Feldfrüchte

Cover Ackerpflanzen

Wir Jäger bezeichnen uns ja gern als die „einzigen geprüften Naturschützer“. Immerhin umfasst die Jägerprüfung neben der Wildbiologie auch Fragen zum Land- und Waldbau. Die meisten von uns können, auch wenn sie im Hauptberuf Ärztinnen oder Handwerker sind, Weizen von Roggen unterscheiden oder Alexandriner- von Perserklee, schon dank der bunten Fotokarten und Apps, mit denen sich solcherart Basics schnell lernen lassen. Aber wer Biotophege und Reviergestaltung wirklich ernst nimmt, kommt mit dem Prüfungswissen allein nicht wirklich weit.

Ein neuer Band schafft da Abhilfe. Die kurze Einleitung beschreibt Grundlegendes zum Anbau, die beiden langen Hauptteile liefern dann alles nötige Wissen über Ackerpflanzen und Feldfrüchte, unterteilt in kultivierte Arten und Ackerwildkräuter. Zu mehr als 150 Arten finden sich auf mehr als 400 Seiten detaillierte Artenportraits, die neben Abbildungen und Beschreibungen auch alles Wissenswerte zu Nutzung, Standortansprüchen, Kultivierung und ökologischer Bedeutung umfassen. 

Das ist sicher auch lesenswert für Landwirte, aber die sind nicht die erste Zielgruppe; Informationen über Pflanzenschutz, Bodenbearbeitung oder Förderprogrammen beispielsweise wurden bewusst nicht aufgenommen. Es ist ein Buch für Laien (im besten Sinne), das aber weit über die üblichen pflanzenkundlichen Nachschlagwerke hinausgeht und von sehr praktischem Nutzen ist. Für den Jägerrucksack ist es leider etwas zu schwer.

Margot und Roland Spohn: Ackerpflanzen und Feldfrüchte, Quelle & Meyer Verlag 2023, 432 Seiten gebunden, 29,95 Euro

Altersansprache des Schalenwilds

Cover Altersansprache des Schalenwilds

Mit der Altersansprache des Schalenwilds ist das bekanntlich so eine Sache: Eine Vielzahl von Merkmalen will beachtet sein. Bei Ansitz, Pirsch oder Drückjagd gibt man sich redlich Mühe, ruft binnen Sekunden Fotos und Erinnerungen zum Vergleich ab, repetiert Prüfungswissen oder den Inhalt eines der vielen Bestimmungsbücher im heimischen Regal – und am Ende ist das erlegte Stück dann doch zu jung oder zu alt. Auch das neueste Buch zum Thema wird daran aller Voraussicht nach nichts ändern.

Gleichwohl hat Burkhard Stöcker in kompakter Form die wichtigsten Merkmale der Altersansprache für die Wildarten Rehwild, Rotwild, Damwild, Muffelwild, Gamswild und Schwarzwild zusammengestellt. Der passionierte Jäger und Diplom Forstwirt arbeitet als Publizist, Fotograf und Wildbiologe und ist Lehrbeauftragter für Ökologie und Ornithologie an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). Regelmäßig leitet er Ansprech-Seminare im Revier. Co-Autor für das Kapitel zum Gamswild ist der Berg-Berufsjäger Stefan Pfefferle. Bei beiden darf also Kompetenz vermutet werden.

In den beschreibenden Teilen des Buches werden jeweils optische Merkmale ebenso berücksichtigt wie jahreszeitliche und verhaltenstypische, unterschieden nach Alter und Geschlecht. Auch die Trophäen werden behandelt. Zu jeder Wildart folgt ein „Ansprechteil“ mit vielen Fotos und erläuternden Bildunterschriften.

Das ist alles in allem kein wirklich neues Konzept. Aber es ist kenntnisreich und mit passender Bebilderung umgesetzt. Insofern kann dieses Buch hilfreich sein, nicht nur für Jungjäger und solche, die es werden wollen, sondern auch für erfahrene Grünröcke, die ihr Wissen prüfen oder auffrischen wollen.

Burkhard Stöcker: Altersansprache des Schalenwilds, Franckh-Kosmos Verlag 2023, 160 Seiten gebunden, 28,00 Euro

Wilde Wälder

Cover Wilde Wälder

Dieses Buch handelt nicht von Urwäldern oder Wildnis. Sondern vom „Element Holz“, wie es in Natur und Kultur vorkommt, beispielsweise als Lebensraum und Kohlenstoffspeicher oder Baustoff und Heizmaterial. Und es handelt davon, welche Bedeutung Holz für die Menschheit in vielerlei Hinsicht hat, nicht nur in ökonomischer, sondern auch in kultureller und spiritueller. 

Dabei ist „Wilde Wälder“ alles andere als ein systematisches Sachbuch, vielmehr klar dem Genre des „Nature Writing“ zuzuordnen. Die Kapitel und Abschnitte sind literarische Essays, sie nehmen ihren Ausgang bei biographischen Erzählungen oder Betrachtungen hölzerner Alltagsgegenstände und führen von dort in Wälder Großbritannien und Europas, Zentralasien und Australiens. Das changiert zwischen Reportage und Abenteuergeschichte, ist unterhaltsam, lehrreich und voller sachkundiger Details. Und nicht zuletzt in einer wohlklingenden Sprache geschrieben, die heute selten geworden ist (auch in der deutschen Übersetzung).

Roger Deakin (1943-2006) war Publizist und Filmemacher mit einem Arbeitsschwerpunkt auf Natur- und Umweltthemen. Zu Lebzeiten veröffentlichte er nur ein Buch („Logbuch eines Schwimmers“), vertraute vor seinem Tod aber seinem Freund und Nachlassverwalter Robert Macfarlane mehrere unveröffentlichte Manuskripte an. „Wilde Wälder“ war eines davon. Wie Macfarlanes eigene Bücher ist es in der Reihe „Naturkunden“ in gewohnt bibliophiler Ausstattung erschienen. 

Roger Deakin: Wilde Wälder, Verlag Matthes & Seitz 2018, 440 Seiten gebunden, 38,00 Euro

Das Reh

Cover Das RehWo auch immer heute „klimastabile Mischwälder“ gefordert werden, klingt im Akkord der Ruf nach einer massiven Reduzierung der Rehwildbestände mit. Das Eintreten der Jägerschaft für diese liebenswerte Wildart wird lautstark übertönt. Politik und Forstwirtschaft machten der „kleinen braune Waldschere“ am liebsten den endgültigen Garaus, so scheint es zumindest, und manch eine Drückjagd in den Landesforsten zeigt, wie das aussehen könnte. 

Jetzt hat Rudolf Neumaier ein Buch vorgelegt, das den vermeintlichen Wald-(Reh-)Wild-Konflikt kritisch hinterfragt und mit deutlichen Worten die dahinter verborgenen Interessen der Forstwirtschaft offenlegt. Dabei lassen Autor, Verlag und Titel zunächst nicht auf solcherart Sprengstoff schließen: Neumaier war Feuilleton-Redakteur der Süddeutschen Zeitung, er ist zwar selbst Jäger, aber kein Vertreter jagdlicher Medien. Und der Hanser Verlag bewirbt das Buch im Internet als „faszinierende Kulturgeschichte des Rehs“. Tatsächlich finden sich darin auch Kapitel über das Reh in Kunst, Kultur und Geschichte sowie über die Biologie des kleinen Kulturfolgers. Mehr als die Hälfte des Buches nimmt aber ein langes Kapitel über das Reh als Politikum ein.

Das ist eine Art Reportage, basierend auf mehrjähriger Recherche, lebendig erzählt mit klarem Blick für ökologische, wirtschaftliche und politische Zusammenhänge. Neumaier belegt darin unter anderem, dass das Thema „Wildschäden“ so alt ist wie die Forstwirtschaft selbst – aber erst in den modernen „Forstplantagen“ zum Problem gemacht wird. Seine Schlussfolgerungen sind eindeutig: Das Reh ist nur der „Sündenbock einer verfehlten Forstwirtschaft“, und der Wald-Wild-Konflikt ist ein „heuchlerisches Mantra der Forstleute“. Dagegen zeigen Erfahrungswerte und wissenschaftliche Studien, dass es durchaus möglich ist, Wald und (Reh-)Wild im ökologischen Einklang leben zu lassen.

Dieses Buch ist ein Wolf im Schafspelz. Man kann nur hoffen, dass es auch von denjenigen gelesen wird, die sich bislang vor den Karren der Forstwirtschaft spannen lassen und dabei glauben, sie handelten ökologisch. Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Tun der Jägerschaft und weniger Schwarzweißmalerei wären dafür allerdings förderlich gewesen und hätten es diesem Leserkreis leichter gemacht.

Rudolf Neumaier: Das Reh. Über ein sagenhaften Tier, Hanser Verlag 2022, 224 Seiten gebunden, 24,00 Euro

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