Menschen und Tiere haben vielfältige Berührungspunkte: Wir lieben unsere Haustiere, halten Nutztiere, schützen und jagen Wildtiere, bekämpfen Kleinsäuger oder Wirbellose, die wir als Schädlinge definieren. Auch indirekt wirkt sich die menschliche Nutzung von Wasser, Land und Luftraum auf die Lebenswelten der Tiere aus. Das mag für unbedenklich halten, wer das biblische „Macht euch die Erde untertan!“ als universellen Freibrief versteht, oder wer Tieren kurzerhand jede Fähigkeit abspricht, Emotionen zu empfinden. Aber in den vergangenen Jahrzehnten hat die Wissenschaft unzweifelhafte Belege dafür geliefert, dass Tiere durchaus differenziert fühlen und zielführend denken können. Der bekannte Verhaltensbiologie Norbert Sachser spricht zurecht von einer „Revolution des Tierbilds“ und begründet das in seinem 2018 erschienen Buch „Der Mensch im Tier“.
Gemeinsam mit zwei Fachkollegen hat er jetzt einen Sammelband herausgegeben, der den Stand des Wissens und der Forschung zeigt. Hervorgegangen ist das Kompendium aus einer interdisziplinären Veranstaltungsreihe an der Uni Münster. In den einzelnen Beiträgen bearbeiten Fachleute das Thema unter anderem aus Sicht der Ethologie, Tierpathologie, Biologie und Zoologie, auch Disziplinen wie Theologie, Philosophie, Rechts- und Kunstwissenschaft kommen zu Wort. Und sie formulieren Konsequenzen, die das neue Bild der Tiere für unser Handeln haben sollte. Dabei geht es um Wohl und Leid der Tiere, um ihre Würde und Rechte, um Schutz und Haltung. Man wird vielleicht nicht jeder Schlussfolgerung in diesem Band zustimmen können, aber die Auseinandersetzung mit den Argumenten ist dringend notwendig und ganz sicher keine Zeitverschwendung.
Norbert Sachser, Niklas Kästner, Tobias Zimmermann (Hrsg.): Das unterschätzte Tier. Was wir heute über Tiere wissen und im Umgang mit ihnen besser machen müssen, Hamburg 2022, Rowohlt Verlag, Taschenbuch 224 Seiten, 14,00 Euro
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