Texter | Journalist | Schriftsteller

Monat: August 2019 (Seite 6 von 6)

Abenteuer Flusslandschaft

Im äußersten Nordosten der Bundesrepublik liegt der Naturpark Flusslandschaft Peenetal. Mit der Renaturierung des einstigen Niedermoors wird eines der größten Naturschutzprojekte Deutschlands realisiert. Eine nachhaltige touristische Erschließung ist Teil des Konzepts. Halali-Autor Dr. Volker Pesch war mit dem Solarboot unterwegs.

Über der Peene ist es noch still. Nur ein schwacher Schimmer am Himmel spiegelt sich im glatten Wasser und kündigt den Sonnenaufgang an. Irgendwo ruckst ein Tauber. Das Morgenkonzert der Vögel ist jetzt, Ende Juli, schon eher verhalten. Am Ende des Bootsanlegers hebt ein Mann mit Zopf langsam seine Arme und streckt sie weit von sich. Wohl das Morgengebet eines Wasserwanderers, in Boxershorts und Sandalen. 

Lautlos gleitet ein weißes Boot heran. Das Ding erinnert allerdings mehr an ein Bügeleisen. Im Halbdunkel ist es erst nur schemenhaft zu erkennen, was der Szenerie etwas Unwirkliches, geradezu Mystisches verleiht. Der Steuermann blickt zu mir herüber und deutet mit dem Arm auf die Flussmitte. Nach kurzem Suchen sehe auch ich den dunklen Punkt, der die Wasseroberfläche wellenförmig bewegt. Tatsächlich: da schwimmt ein Biber. 

Der große Nager ist so etwas wie das Wappentier der Peene und umstritten wie sonst nur der Wolf. Neben dem Fischotter ist er der wichtigste tierische Werbeträger für eine touristische Entwicklung. Die Chance auf Biberanblick dürfte also nicht unerheblich dazu beigetragen haben, dass sich an diesem frühen Morgen noch sechs weitere Menschen zur Sonnenaufgangstour im Solarboot hier am Anleger in Stolpe bei Anklam eingefunden haben. 

Dieser Biber wird nicht der letzte sein, den wir in Anblick bekommen. Aber mit dem ersten Exemplar noch vor Beginn der eigentlichen Tour kann uns unser Guide Günther Hoffmann natürlich ganz entspannt an Bord begrüßen, auch wenn die Wetterprognose Regen und eher schlechte Sicht erwarten lässt. Das Hauptversprechen ist quasi schon erfüllt. Noch zeichnet sich der Sonnenaufgang mit zartem Lichtspiel am Himmel ab. Da heißt es keine Zeit verlieren. Nach kurzer Begrüßung fährt das Boot leise surrend los. Schweigend und staunend genießen wir die einzigartige Morgenstimmung auf dem Wasser.

Weiterlesen in HALALI Nr. 1/2018 oder hier als pdf

Pirschgang auf Abwegen (I)

Die Kolumne auf volkerpesch.de

Neulich sah ich die Werbeanzeige eines namhaften Herstellers von Jagdoptiken. Dessen Name sei an dieser Stelle höflich verschwiegen. Hier wurde das Neueste vom Neuen beworben, was ja nicht ungewöhnlich ist, denn Neuheit ist an sich ein starker Kaufanreiz und hält die Ausrüstungsindustrie am Leben. In diesem Fall stutzte ich aber sofort, denn angepriesen wurde hier allen Ernstes ein Drückjagdglas mit „revolutionärer Minimalvergrößerung von 0,75“.

Von Vergrößerung zu sprechen ist da in der Tat revolutionär, dachte ich und denke ich noch heute, aber ich will nicht kleinlich sein. Auch Werbetexter haben bessere und schlechtere Tage. Und ich verneige mich vor den Ingenieuren!

Neu und spektakulär an diesem Fernglas ist nämlich nicht nur die Verkleinerung des Fernen. Auch ein Sehfeld von sage und schreibe 56 Metern auf 100 Meter lässt mich staunen. Ich rechne mir aus, dass eine flüchtige Sau mit 25 Stundenkilometern glatte 8 Sekunden bräuchte, dieses Sehfeld zu durchkreuzen. Im leichten Troll wären es runde 20 Sekunden. Das verschafft Gelassenheit auf dem Stand!

Sie könnten eine mit solcherart Glas ausgerüstete Waffe einfach auf der Brüstung von Bock oder Kanzel in Richtung des vermuteten Wechsels fixieren und abwarten. Früher oder später wird ein Schweinchen in den superfeinen Leuchtpunkt laufen – und Sie müssen nur noch den Finger krumm machen.  

Mich erinnert das an die alte Geschichte, wie man Krokodile fängt. Die kennen Sie nicht? Dann sei sie kurz erzählt. Immerhin hat die Geschichte ja auch mit Natur & Jagd zu tun, selbst wenn sie eher in die Rubrik Auslandsjagd gehört und also eigentlich eines Herkunftsnachweises bedürfte, den ich leider nicht liefern kann.

Zum Fangen eines Krokodiles brauchen Sie ein langweiliges Buch sowie Lupe, Pinzette und Streichholzschachtel. Setzen Sie sich irgendwo hin, wo mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Krokodil zu erwarten ist, und lesen Sie in dem Buch. Weil es so langweilig ist, werden Sie bald einschlafen. Wenn dann das Krokodil kommt, wird es ebenfalls zu lesen beginnen und einschlafen. Da Sie zuerst eingeschlafen sind, werden Sie auch zuerst aufwachen. Dann betrachten Sie das Krokodil durch die umgekehrte Lupe, greifen es mit der Pinzette und tun es in die Streichholzschachtel.

Probieren Sie es ruhig einmal aus: revolutionärer kann eine Minimalvergrößerung kaum sein! Und deutlich preiswerter als ein neues Drückjagdglas ist das allemal.

Hirsche

Bücher über das Rotwild erwecken in Jägerkreisen naturgemäß volle Aufmerksamkeit. Jetzt ist ein kleine Monographie erschienen in der schönen Reihe „Naturkunden“ bei Matthes & Seitz. Geschrieben hat es Wilhelm Bode, ein dezidierter Kritiker des heutigen Jagdwesens und ehemaliger Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes Saarland. Sein gemeinsam mit Elisabeth Emmert verfasstes Buch „Jagdwende“ war Ende der 90er Jahre eine offene Kampfansage und zählt sicherlich zu den umstrittensten Jagdbüchern der letzten Jahrzehnte.

Dagegen ist „Hirsche“ ein kleiner Wolf im bibliophilen Schafspelz. Im Vergleich zu anderen Büchern der Reihe kommen die Portraits der Hirscharten sehr kurz. Bode lässt lieber wildbiologische, kulturgeschichtliche und jagdliche Aspekte rund um das Rotwild aufscheinen, in geschliffener Sprache und dezidiert kritischer Form. Das könnte durchaus nachdenklich machen und Diskussionen anregen: So thematisiert er beispielsweise die anhaltende Trophäenorientierung in der Hege, die unzureichende Größe zusammenhängender Habitate und Schutzgebiete in Deutschland oder die Jagd unter den Bedingungen einer agrarindustriell geprägten Kulturlandschaft. 

Bode schreibt mit spitzer Feder und gekonnt pointiert. Dass dabei die grüne Zunft insgesamt nicht gut wegkommt, ist wenig überraschend. Die Vorstellung, der eine oder andere Abschnitt würde auf einer Hegeringversammlung verlesen, lässt einen schmunzeln. Aber leider ist der gesamte Text geprägt von einer erbitterten Feindschaft zu allem, was in der Wahrnehmung des Autors zur „lodengrünen Trophäenjagd“ zu zählen ist. Außerdem zeichnet er geradezu penetrant eine Traditionslinie von Hermann Göring zur heutigen Jägerschaft. Eine sachliche Auseinandersetzung mit anderen Ansichten und Argumenten fehlt völlig. Das ist schade und tut der Sache keinen Gefallen.

Wilhelm Bode: Hirsche: Ein Portrait, erschienen 2018 im Verlag Matthes & Seitz, 156 Seiten, gebunden, 18,00 Euro

Erhältlich beim Buchhändler Deines Vertrauens
und online bei amazon oder buch7

Jagdgedanken

Unter den zeitgenössischen Jagdschriftstellern hat sich Bertram Graf Quadt längst einen herausragenden Namen gemacht. Schon seine ersten Bände mit Erzählungen erwiesen den Rundfunkredakteur als ebenso unterhaltsamen wie nachdenklichen Autor, jenseits der weit verbreiteten „Ich-kam-sah-und-schoss-es-tot“-Literatur. Tiefgründige Inhalte, schwungvolle Formulierungen und intelligenter Sprachwitz zeichnen seine Bücher aus. Vor allem pflegt er einen eigenen Stil. Adel verpflichtet eben, so wäre man zu schreiben versucht, wiese die Ahnentafel der Jagdschriftstellerei nicht ebenso begnadete bürgerliche Autoren aus.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass dem Grafen Quadt dereinst die Aufgabe angetragen wurde, im „Deutschen Adelsblatt“ eine regelmäßige jagdliche Kolumne zu verfassen, und dass er Anstoß und Auftrag gern angenommen hat. Die bildet den Grundstock des Buches, ergänzt um weitere Texte. Drei an der Zahl zu jedem Monat des Jahres sind es insgesamt geworden. Also auch zu jenen freudlosen Monaten der weitgehenden Jagdruhe, die der Waidmann im Kreise seiner Liebsten zu verbringen hat, sehnsüchtig wartend auf den Aufgang der Bockjagd. Diese Monate bieten immerhin Zeit und Muße, über die Biologie der Schnepfe, Kaliberfragen, jagdliches Brauchtum und andere Themen jenseits des unmittelbaren Jagdbetriebes zu sinnieren. 

Bertram Graf Quadt teilt mit seinen Leserinnen und Lesern Gedanken und Geschichten aus dem Spannungsfeld zwischen Alltag, Jagd und Familie. Manches sieht er kritisch, anderes augenzwinkernd, wieder anderes wehmütig. Für viele Jäger ist das Waidwerk heute nicht mehr Beruf, sondern Freizeitbeschäftigung, im besten Fall Passion. Revierarbeiten, Abschussplanerfüllung, Wildschadensverhütung oder Hundeausbildung müssen in den engen Terminkalender eingebunden werden. Das ändert auch den Charakter der Jagd. Aber, schreibt Bertram Graf Quadt, wir dürfen nicht aufgeben im Hochhalten dessen, was wir gelernt haben, nicht im Hinterfragen des Gelernten, nicht im Dazulernen von Neuem und nicht im Entlarven alter Dummheiten in neuen Gewändern. Denn jeder Jäger ist auch ein Botschafter der Jagd, im Guten wie im Schlechten.

Bertram Graf Quadt: Jagdgedanken. Ein Hochstand-Brevier, erschienen 2018 im Verlag Neumann-Neudamm, 192 Seiten, gebunden, 19,95 Euro

Erhältlich beim Buchhändler Deines Vertrauens
und online bei amazon oder buch7

Heilpflanzen für Kopf und Seele

Die unterschiedlichen Formen der Naturheilkunde sind von den Halbgöttern in weiß lange Zeit im besten Fall belächelt, oft als Placebo abgetan und nicht selten auch in Bausch und Bogen verdammt worden. Aber mehr und mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, dass die auf Apparate und Medikamente gestützte westliche Schulmedizin zwar in der Akut- und Notfallbehandlung Weltspitze ist, nicht aber bei den vielen Volkskrankheiten und auch nicht bei den zunehmenden chronischen, oft psychosomatischen Erkrankungen. Hier können Naturheilverfahren sogar besser helfen. Kluge Mediziner sehen die nicht als Konkurrenz, sondern als wirksame Ergänzung.  

Ganz der Pflanzenheilkunde gewidmet ist der Dilston Physic Garden in der englischen Grafschaft Northumberland, im Norden Englands an der schottischen Grenze gelegen. Hier werden in enger Kooperation mit Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen Heilpflanzen kultiviert und erforscht, und zwar besonders jene “für Kopf und Seele”. Zwei der Leiterinnen des Gartens – Pharmazeutin die eine, Neurowissenschaftlerin die andere – haben den aktuellen Stand der Erkenntnis in einem sehr ansprechenden Buch zusammengefasst, das jetzt in deutscher Übersetzung vorliegt.

Die darin vorgestellten Heilpflanzen sind überwiegend bekannt und fehlen in keinem Kräuterbuch. Das besondere hier ist aber die Anordnung nach Krankheitssymptomen, gegen die das jeweilige Kraut gewachsen ist, und nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Zuerst werden kurz Botanik und historische Anwendungsformen jeder Pflanze dargestellt, dann werden ihre Wirksamkeit beschrieben und mit Studien belegt sowie Inhaltsstoffe, Anwendungsformen und Risiken benannt. Tipps und Rezepte runden das Buch ab, ein ausführlicher Anhang mit Glossar aller wichtigen Begriffe, wissenschaftlicher Bibliografie und anderen Hilfen beschließt es.

Nicolette Perry und Elaine Perry: Heilpflanzen für Kopf und Seele, erschienen 2019 im Haupt Verlag, 240 Seiten, gebunden, 26,00 Euro

Erhältlich beim Buchhändler Deines Vertrauens
und online bei amazon oder buch7

Irrtümer über Vögel

In den vergangenen Jahren sind öffentliche Mitmachaktionen zur Erhebung von Vogelbeständen zu medienwirksamen Massenveranstaltungen geworden. Allein bei der „Stunde der Gartenvögel“ wirken regelmäßig mehrere zehntausend Menschen mit und zählen am heimischen Futterhaus Amsel, Drossel, Fink und Star. Aber die da eifrig zählen und notieren, sind in der überwiegenden Mehrzahl Laien. Niemand prüft, ob sie überhaupt in der Lage sind, Blau- von Kohlmeisen zu unterscheiden oder einen Gimpel als solchen zu identifizieren. Gleichwohl wäre es ein Irrtum, darüber die Nase zu rümpfen: tatsächlich sind die hier generierten Datensätze für die Ornithologie in vielerlei Hinsicht von Interesse. Es kommt auf eine umsichtige Auswertung an

Dies ist nur der erste Irrtum über Vögel und Vogelkunde, die Einhard Bezzel hinterfragt. Der Autor ungezählter Artikel zum Thema und mehrerer Fach- und Bestimmungsbücher hat wie kaum ein zweiter dazu beigetragen, die Vogelkunde und das Beobachten von Vögeln im deutschen Sprachraum zu popularisieren und fachlich zu fördern. Er war unter anderem Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen, Mitbegründer des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten (DDA), Chefredakteur der vogelkundlichen Zeitschrift „Der Falke“, Generalsekretär der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern und Vizepräsident der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft. 

Bei den weiteren 54 Irrtümern im neuen Buch geht es um Glasscheiben als Vogelkiller, das Paarungsverhalten einzelner Arten, Vögel als Wetterpropheten, Folgen des Klimawandels und viele andere Themen. Dabei macht sich Bezzel nicht nur Freunde: Katzenliebhaber und Krähenjäger beispielsweise werden die entsprechenden Kapitel nicht gerne lesen, sollten es aber tun! Jeder der Irrtümer wird mit einer ungeheuren Fülle an Zahlen, Daten und Fakten als solcher entlarvt, zumeist auch historisch ausgeleuchtet und in den aktuellen Problemzusammenhang gestellt. Das macht den Text zwar lehrreich, aber nicht wirklich unterhaltsam, zumal im Unterschied zu den allermeisten Vogelbüchern weitgehend auf Illustrationen oder Fotos verzichtet wurde.

Einhard Bezzel: 55 Irrtümer über Vögel, erschienen 2019 im Aula-Verlag, 304 Seiten, gebunden, 19,95 Euro

Erhältlich beim Buchhändler Deines Vertrauens
und online bei amazon oder buch7

Neuere Beiträge »

© 2025 Dr. Volker Pesch

Theme von Anders NorénHoch ↑