Bücher wie dieses sind Indiz und Ursache. Sie zeigen an, dass die Jagd sich langsam aus der klischeeverzerrten Ächtung einer den Tod verdrängenden Gesellschaft befreit. Und zugleich befördern sie diese Entwicklung. Noch vor kurzer Zeit wäre das undenkbar gewesen: Eine mehrfach ausgezeichnete Journalistin und Autorin, die unter anderem für „Brigitte“ und „Spiegel“ schreibt, legt ein Buch über die Jagd vor. Wohlgemerkt nicht als investigativer Angriff auf alte Männer in lodengrünem Wams, sondern als sehr persönliche Erzählung mit tiefem Blick in die eigene Psyche. Dass ein großer Verlag wie Rowohlt das ins Programm genommen hat, darf ebenfalls als Zeichen gedeutet werden. 

Schon deswegen sei „Jagd“ an dieser Stelle empfohlen, auch wenn es nicht in jeder Hinsicht überzeugen kann. Antje Joel erzählt auf verschiedenen Zeitebenen. Ihre zentrale und jüngste Jagderfahrung trägt sich irgendwo in den Weiten Idahos zu, auf Wolfsjagd mit Schneemobilen. Sie beschreibt die zwanghaften Methoden ihrer jagdlichen Ausbilderin in Nordfriesland, springt noch weiter zurück in ihre Kindheit und wieder vor zu beruflichen Verpflichtungen und familiären Bindungen. Der Freitod einer engen Freundin, einer Försterin, wird ihr zum biografischen Dreh- und Angelpunkt. Der gibt den Anstoß, sich mit existenziellen Fragen um Leben und Tod zu befassen und die Jägerprüfung anzugehen. Zuletzt wird die Jagd für die Autorin zur Versöhnung mit der Natur und dem eigenen Sein.

So weit, so lesenswert. Allerdings ist mit „Jagd“ hier eine eher archaische Form der Jagd gemeint, der Überlebenskampf in der Wildnis, nicht der Ansitz auf Sauen und Böcke am Rapsfeld. Mit der Jägerschaft und dem jagdlichen Alltag der norddeutschen Tiefebene kann sich die Autorin nicht wirklich anfreunden. Das Buch bietet durchaus kluge und nachdenkliche Passagen, und es provoziert mit teilweise radikalen Ansichten über Leben und Tod, Jagd und Töten. Mitunter verfällt Antje Noel dabei leider in einen schnoddrigen bis aggressiven Tonfall und hetzt über Tierfreunde, Veganer und Jagdgegner. Da wäre mehr Sachlichkeit angeraten.

Antje Joel: Jagd. Unsere Versöhnung mit der Natur, erschienen 2018 im Rowohlt Verlag, 266 Seiten, Paperback, 14,99 Euro

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