Ohne Zweifel gehört Onno Viets zu den skurrilsten Figuren der neuen deutschen Literatur. Ein klassischer Antiheld ist dieser schrullige Mittfünfziger, Hartz-IV-Empfänger, Pingpongspieler, Privatdetektiv mehr aus Zufall denn Begabung. Und seit seinem ersten Fall („Onno Viets und der Irre vom Kiez“) gezeichnet von einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schweren Panikattacken, die ihn bis in die scheinbare Idylle des Dörfchens Finkloch verfolgt. 

Der dritte Teil der Trilogie spielt überraschenderweise zeitlich vor dem zweiten Teil („Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen“). In Finkloch, von Besuchern mit Mobiltelefon auch gerne „Funkloch“ genannt, will Onno eigentlich zur Ruhe kommen, auf langen Spaziergängen mit Hündin Diana und nächtlichen Ansitzen neben Schwiegervater Henry, dem pensionierten Amtsförster. Aber dann wird ein Waidgenosse tot auf der Kanzel gefunden, den letzten Bissen zwischen den Zähnen, und der Streit mit der esoterischen „Katzenzenzi“ und deren mondsüchtigen Jüngerinnen eskaliert. Nach einem nächtlichen Schusswechsel findet sich keine Leiche, obwohl sich der alte Förster ganz sicher ist, Kugelschlag gehört zu haben. Und wie hängt das alles zusammen mit dem mysteriösen Verschwinden seiner Stieftochter vor nunmehr 16 Jahren? 

Sowenig dieser Onno ein typischer Detektiv ist, sowenig ist dieser Roman ein typischer Krimi. Schon gar kein „Jagdkrimi“ (wenn denn die einschlägigen Titel überhaupt genug Gemeinsamkeiten aufweisen, um zu einer Gattung zusammengefasst werden zu können). Zunächst ist das Buch eine durchaus unterhaltsame, oft satirische Milieustudie des Dorflebens. Jagende Leser und Leserinnen wird zudem die fein recherchierte und klug dosierte Jägersprache erfreuen, auch wenn der Hamburger Autor manches Mal bis an die Grenze zum Spott geht. Aber dann findet man sich plötzlich und ganz unerwartet in den Tiefen einer Familiengeschichte wieder, die bis zum RAF-Terrorismus der 70er Jahre und zu den Traumata der Kriegsvertriebenen des Zweiten Weltkriegs reicht. 

Frank Schulz, Onno Viets und der weiße Hirsch, Verlag Galiani Berlin 2016, 358 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

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