Es ist mittlerweile fast zu einem eigenen Genre der Belletristik geworden: Frauen schreiben über ihre tiefe Verbundenheit zu Tieren und darüber, was das mit ihnen tief im Innersten macht. Dabei sind die Grenzen zu Mystik und Esoterik oft durchlässig. Sollten an dieser Stelle lesende Männer voll hämischer Vorfreude auflachen, sei zur Vorsicht geraten: es gibt auch ganz eigene Männer-Genres in der Belletristik, auf die Mann nicht unbedingt stolz sein kann!

Aber es geht mir an dieser Stelle gar nicht um Frauen oder Männer, sondern um Bücher wie Jane Godalls My Life with the Chimpanzees (der Klassiker), Tanja Askanis Wolfsspuren – Die Frau, die mit den Wölfen lebt, Gudrun Pflügers Wolfsspirit – Meine Geschichte von Wölfen und Wundern, Sandra Jungs Die Herrscher der Lüfte und ich, Elli Radingers Die Weisheit alter Hunde – die Beispiele ließen sich vermehren.

Relativ neu in diesem Segment und schon Bestsellerautorin ist Gesa Neitzel. In ihrem 2016 erschienenen Buch Frühstück mit Elefanten beschreibt sie ihre Ausbildung zur Safari-Rangerin in Afrika, mithin ein Leben ohne Internet und fließendem Wasser, dafür mit allerlei krabbelndem Getier und den Big Five. Im Kern ist es die Coming of Age-Geschichte einer jungen Frau, die dem stressigen Alltag als Berliner Fernsehredakteurin entflieht und in der Wildnis ihre Aufgabe und Erfüllung findet. Das ist durchaus unterhaltsam.

Mit „The Wonderful Wild“ ist jetzt gewissermaßen die Fortsetzung erschienen. Ging es im ersten Buch noch in erster Linie um die äußeren Begebenheiten, wendet sich das zweite allerdings der Innenwelt der Autorin zu. Das macht schon der Untertitel deutlich: „Was ich von Afrikas Wildnis für das Leben lerne“, lautet der, und spätestens da schrillen alle Alarmglocken.

Tatsächlich hat Gesa Neitzel ihre eigenen Erfahrungen zu einer Art Ratgeber zusammengerührt. Die 1987 geborenen Autorin erklärt uns nun, was in unserem Leben alles schief läuft, warum das so ist, wie sie das in der Wildnis erkannt hat und – natürlich – wie wir das ändern können. Nämlich im Kern so: Wenn wir nur auf die Stimme der Wildnis in uns hören, werden wir unseren authentischen Rhythmus finden. Oder so ähnlich.

Man staunt über die Selbstgewissheit der jungen Frau, ihren Mut zur Wissenslücke und ihr Pathos der Erleuchtung – und wünscht sich vergeblich ein wenig kritische Distanz, Ironie oder Augenzwinkern. Von Realismus gar nicht zu reden.

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