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Schlagwort: Tradition

Die Erfindung einer Tradition

Über Hubertusmessen und deren Namensgeber als Schutzpatron der Jagd 

Der heilige Hubertus wird im deutschsprachigen Raum als Schutzpatron der Jagd verehrt, und der 3. November wird als Hubertustag begangen, mit Hubertusjagden und jagdlich geschmückten Hubertusmessen. Dabei wurde dem Bischof von Lüttich diese Verehrung erst nach Jahrhunderten zuteil. Und die Tradition der Hubertusmessen ist sogar eine moderne Erfindung.

Von Volker Pesch

Rund um den Hubertustag schmettern die Hörner. Historisch uniformierte Musiker blasen druckvoll in geschwungene Parforcehörner, unterstützt von Bläsergruppen mit Jagd- oder Waldhörnern. Tannengrün, Tierpräparate und Trophäen schmücken auch evangelische Kirchen, als sei hier die Heiligenverehrung in Theologie und Liturgie nie abgeschafft worden. Frauen und Männer im grünen Rock ziehen feierlich ein und nehmen im Chorraum Platz, wo ehedem nur Kleriker, Ordensbrüder oder adelige Herren saßen. In den Predigten geht es um nicht weniger als die Bewahrung der Schöpfung und den Wert jeglicher Kreatur. Den heimlichen Spruch aller Hubertusmessen dichtete Oberförster Oskar von Riesenthal im Jahre 1880: „Das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild. Waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt!“

So weit, so stimmungsvoll. Aber was wie eine uralte, heute manchmal etwas archaisch anmutende Tradition daherkommt, ist tatsächlich vergleichsweise jung […]

Weiterlesen in:
Mecklenburgische & Pommersche Kirchenzeitung, Nr. 43/2020 oder hier als jpg

Bräuche im Wandel

Die Leserschaft von Wild und Hund hat es gerade zum „Jagdbuch des Jahres“ in der Kategorie „Sachbuch“ gewählt: Gerd G. von Harlings neues Buch. Über Wettbewerbe wie diesen mag man schmunzeln. Zumal dann, wenn die Teilnahme nur für Abonnenten möglich ist und auch nur mittels Postkarte. Jüngeren Leserinnen und Lesern sei das an dieser Stelle kurz erklärt: Postkarten, das sind kleine rechteckige Pappen, die müssen mit sog. Briefmarken frankiert und dann in die gelben Kästen geworfen werden, die vereinzelt noch in der Landschaft herumstehen. Es ist von daher wenig verwunderlich, wenn sich zur Preisverleihung in Dortmund ausschließlich Männer fortgeschrittenen Alters auf dem Podium einfanden. Aber das nur am Rande.

Ebensowenig verwunderlich ist, dass Gerd Harling unter den Gewinnern ist. Denn kein anderer Autor dürfte bekannter sein: Er war Schriftleiter der Wild und Hund sowie Lektor des Verlages Paul Parey und wurde vielfach ausgezeichnet und geehrt. Mehr als 60 Buchveröffentlichungen und ungezählte Beiträgen in der Jagdpresse machen von Harling zum derzeit vielleicht bekanntesten deutschsprachigen Jagdautor.

Jetzt hat er sich also die Jagd- und Jägerbräuche vorgenommen. Denn wir erlebten, schreibt von Harling, derzeit eine „Renaissance, eine Rückbesinnung auf alte, überkommene Werte“. Brauchtum stehe heute wieder hoch im Kurs. Trotzdem drohe einiges in Vergessenheit zu geraten. Ziel des Buches sei es, jüngeren Jägern das jagdliche Brauchtum näherzubringen und es älteren wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Die 10 inhaltlichen Kapitel thematisieren denn auch einzelne Bereiche jagdlichen Brauchtums, beispielsweise das Streckelegen, die Jägersprache oder den Umgang mit Trophäen. Dabei liegt der Fokus auf dem Wandel. Harling plädiert keineswegs für eine starre Aufrechterhaltung überkommener Handlungen, Begriffe oder Verhaltensweisen, und er weiß darum, dass manch eine vermeintlich uralte Tradition noch keine 100 Jahre währt. Ihm geht es darum, das jagdliche Brauchtum „lebendig zu erhalten, behutsam weiterzuentwickeln und auf Erkenntnisse und Erfordernisse der modernen Zeit abzustimmen.“

So weit, so gut. Wie zuletzt schon in Harlings Jagd(B)revier entgeht der Autor allerdings nicht ganz der Falle nostalgischer Verklärung. Er trennt aber einigermaßen strikt seine erzählerisch-anekdotisch verfassten eigenen Gedanken und Bewertungen von eher sachlich-informativ präsentierten historischen Erklärungen und Erläuterungen. Damit hier keine Zweifel aufkommen, ist das auch im Layout des insgesamt ansprechenden Buches unterschieden.

Gerd G. von Harling, Jagd- und Jägerbräuche im Wandel, Müller Rüschlikon Verlag 2019, 144 Seiten (Taschenbuch), 19,95 Euro

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