Mit „H wie Habicht“ hat Helen Macdonald 2014 einen vielfach ausgezeichneten autobiografischen Roman und Bestseller geschrieben. Angesichts der Thematik war das mehr als überraschend: Zur Bewältigung der Trauer über den plötzlichen Tod des Vaters erwirbt die Autorin ein Habichtsweibchen und richtet es für die Beizjagd ab. Detailliert beschreibt sie Erfolge und Rückschläge sowie die zunehmende Bindung zwischen Beizvogel und Falknerin. Aus der Passion wird allerdings zunehmend Obsession, mit erheblichen Folgeproblemen. Bereits 2006 hatte sie ein lesenswertes Buch über Falken geschrieben, die „Biografie eines Räubers“, das hierzulande aber erst nach dem Erfolg des Habichts-Buches auf den Markt kam.
Jetzt hat die britische Autorin einen Band mit Essays vorgelegt, in denen es um Nester, Wolkenkratzer oder Winterwälder geht, auch um Schwäne, Gewitter oder Beeren. Viele davon sind zuerst in Magazinen wie dem New York Times Magazine oder in Sammelbänden erschienen. Es sind insgesamt 41 Prosastücke, selten länger als 5 oder 8 Seiten, kurze Geschichten, Gedanken und Reflexionen, die sich nur schwer einem literarischen Genre zuordnen lassen. Am ehesten ist es wohl New Nature Writing.
Helen Macdonald sagt über sich selbst, ihr Thema als Schriftstellerin sei die Liebe, und zwar „in allererster Linie die Liebe zur schillernden Welt des nichtmenschlichen Lebens um uns herum.“ Diese Liebe erkennt die Eigenständigkeit von Natur an und hinterfragt die menschlichen Zuschreibungen und Annahmen. Damit schafft sie auch die Möglichkeit, Verschiedenheiten zu erfahren und sich an der Komplexität der Natur zu erfreuen, ohne sie sich Untertan zu machen. Zuletzt geht es um die Rolle des Menschen auf unserem Planeten. Die Essays kommen aber so leicht und spielerisch daher, dass es an keine Stelle pathetisch wird.
Helen Macdonald, Abendflüge, Hanser Verlag 2021, 352 Seiten gebunden, 24,00 Euro
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