Die Kolumne auf volkerpesch.de
Diese Schlagzeile müffelt etwas: „Wissenschaftler entwickeln Kuhtoilette“ ist der Leitartikel der Wirtschaftsseite überschrieben. Die üblichen Verbrauchertipps und Börsenberichte überblättere ich normalerweise, aber das weckt nun doch meine Aufmerksamkeit. Sofort erscheint vor meinem inneren Auge das Bild eines mächtigen Charolais-Bullen in der Hocke. Pressend. Schwarzbunte Mutterkühe tauschen während der Verrichtung durch die Trennwände muhend Neuigkeiten aus. Eine selbstverliebte Färse vom Alten Angler Rotvieh will gar nicht mehr weg vom Spiegel. Und dann die Kuhtoilette selbst! Die dürfte anatomisch (wohin mit dem Schwanz?) und statisch eine Herausforderung für jeden Industriedesigner sein.
Ich beginne zu lesen und werde baff enttäuscht: Die vermeintliche Kuhtoilette als solche ist wenig innovativ, eigentlich nur eine Latrine mit Eingangstür und Bodenablauf. Die Tiere lassen es raus wie evolutionär gewohnt. Ältere werden sich erinnern: So sahen die Toiletten auf französischen Campingplätzen noch in den 80er Jahren aus. Es geht den Verhaltensbiologen des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock auch gar nicht um die Toilette als solche. Vielmehr bringen sie als Tiertrainer Kälbern bei, sich gezielt und ausschließlich an diesem Ort zu lösen. Wenn die Viecher das dem Forschungsdesign entsprechend tun, bekommen sie ein Leckerli. Wenn nicht, eine kalte Brause. Iwan Petrowitsch Pawlow grüßt freudig aus dem Jenseits.
Wer sich jetzt daran erinnert, dass die Dummerstorfer im vergangenen Jahr ihren Leibniz-Status verlieren sollten, weil Zweifel an der Exzellenz des Instituts laut geworden waren, ist voll auf dem Holzweg: Es geht hier um gleich zwei der großen Gegenwartsthemen, nämlich Tierwohl und Klimarettung (also ausnahmsweise nicht um Corona). Rindviecher mit anständigen Hygienevorstellungen und entsprechendem Verhalten sind psychisch insgesamt stabiler und leiden weniger unter Klauen- und Eutererkrankungen. Und die ordnungsgemäße Entsorgung der Fäkalien, fein getrennt nach Urin und Kot, verringert die Ammoniakemmissionen und erfüllt somit eine EU-Richtlinie, die bis zum Jahr 2030 umgesetzt sein muss.
Inzwischen können die Forscher die zentrale Frage mit einem klaren Ja beantworten: Ja, Kühe lassen sich auf ein kontrolliertes Ausscheidungsverhalten trainieren. Das ist dem Artikel zufolge das Ergebnis der ersten Studie, die auf der Auswertung von bislang fünf Durchgängen mit jeweils acht bis zehn Kälbern beruht. Zuletzt, wird der stolze Projektleiter zitiert, hätten die Kälber „überwiegend“ die Toilette benutzt.
Die alte Bauernweisheit, dass die Kuh kackt wohin sie will, ist damit also widerlegt. Jedenfalls für den überwiegenden Teil der ersten 40 bis 50 Probanden. Ob und inwieweit sich diese Erkenntnis auf die rund 990 Millionen Rinder, die aktuell weltweit gehalten werden, auswirken wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht könnte es auf mittlere Sicht den anhaltenden Rückgang der Beschäftigtenzahlen in der Landwirtschaft ausgleichen: Der Bedarf an Kuhtoilettentrainern dürfte in Zukunft riesig sein.
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