Vorab zur Erläuterung: Ich bespreche regelmäßig auch Kinderbücher. Jetzt wurde meine Rezension des Buches „Nicht um die Ecke!“ von einer Redaktion abgelehnt. Nicht dass mein Text für schlecht befunden worden wäre, zu lang oder zu kurz oder verspätet eingereicht. Vielmehr sah die Redaktion die im Buch beschriebene „Grenzüberschreitung des Kindes“ kritisch und will das Buch deswegen nicht ihren Leserinnen und Lesern empfehlen.
Ich bin mit der „Rappelkiste“ und Michel aus Lönneberga aufgewachsen, von Pippi Langstrumpf und Neills „Grüner Wolke“ gar nicht zu reden. Bücher voller Grenzüberschreitungen. Mich entsetzt der Gedanke, Kinderbücher als Disziplinierungsinstrumente anzusehen – und nicht als phantastische Abenteuerspielplätze, in denen vieles ganz anders ist als in der Welt der Erwachsenen.
Anstelle der Indizierung oder Vernichtung verdächtiger Druckerzeugnisse schlage ich vor, künftig folgenden Warnhinweis auf Kinderbücher zu drucken:
Parental advisory: This Book contains sequences of disobedience
Und weil das Buch so schön grenzüberschreitend ist, empfehle ich es ganz ausdrücklich und veröffentliche hier meine Rezension:
Nicht um die Ecke!
Emma ist mit ihrer Mama und dem Dreirad im Park. Sie ist voller Tatendrang, aber Mama sitzt nur auf der Bank und schaut auf ihr Handy. „Du fährst nicht um die Ecke!“, mahnt sie noch. Eine Situation, die wohl viele Kinder kennen. Emma langweilt sich, aber schon bald machen ihre Füße, was sie wollen, treten in die Pedale, der Wind weht ihr ins Gesicht, bunte Blätter wirbeln auf – und ehe sie sich’s versieht, ist Emma schon um die Ecke verschwunden. Dort ist es wirklich spannend: Affen klettern in die Bäume, Schiffe fahren übers weite Meer, Pferde springen umher. Oder bildet sie sich das alles nur ein? Sind es nur geheimnisvolle Schatten auf der Mauer? Egal, „Um die Ecke“ gibt es jedenfalls Abenteuer, wie nur Kinder sie erleben können.
Die Illustrationen sind so eindrücklich, dass kleine und große Betrachterinnen und Betrachter unmittelbar teilhaben an den Entdeckungen, die Emma macht. Autor und Illustrator Dirk Steinhöfel zeigt die Welt durch Emmas Augen und ihre grenzenlose Phantasie. Steinhöfel ging erst andere berufliche (Um)Wege, bevor er sich 2003 selbständig machte. Seine zahlreichen Kinderbücher zeichnen sich durch eine ganz eigene Ästhetik aus: Es sind dreidimensionale, am Computer entworfene Bilderwelten mit starker Ausdruckskraft und wenigen Worten. Das Buch wird empfohlen für Kinder ab 4 Jahren.
Dirk Steinhöfel: Nicht um die Ecke, FISCHER Sauerländer Verlag 2018, 48 Seiten gebunden, 14,99 Euro, ISBN 978-3-7373-5531-5
Weitere Informationen und eine Leseprobe
finden Sie auf den Seiten des Verlags.
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