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Schlagwort: Nature Writing

Unter Bäumen

Cover Unter Bäumen

Wir schützen nur, was wir kennen und lieben. Das ist keine neue Erkenntnis, und es ist gedanklicher Ausgangspunkt jenes Genres der Literatur, das Nature writing genannt wird. An dieser Stelle wurden schon zahlreiche Bücher vorgestellt, etwa aus der Reihe „Naturkunden“ bei Matthes & Seitz, die hier Vorreiter im deutschsprachigen Raum war.

Jetzt hat der Hamburger KJM Buchverlag im Verbund mit europäischen Partnerverlagen unter dem Namen „European Essays on Nature and Landscape“ eine neue Reihe mit aktuellen und sehr persönlichen Zugängen zu Landschaften und Naturphänomenen begonnen. Die Essays sind tief gegründet auf eigenem Erfahren und Erleben, geschrieben von Autorinnen und Autoren, die in den jeweiligen Landschaften verwurzelt sind. Aber es sind keine Reiseberichte, sondern Sachtexte, die Geologie, Ökologie und Schutz ebenso fokussieren wie Politik, Kultur und Nutzung. Die hochwertig gebundenen und sehr ästhetisch illustrierten Bände enthalten außerdem interessante Zusatzinformationen, abrufbar über QR-Codes.

Einer der ersten Bände ist „Unter Bäumen“ von Helmut Schreier. Darin erzählt der Philosoph und Naturkundler von Bäumen und Wäldern als Landschaftsgestalter, Teil der Biozönose, Erholungsort und Wirtschaftsfaktor. Fünf Waldstücke an der mittleren Elbe dienen ihm als persönliche Erfahrungsräume. In seinem Essay verwebt er geschickt Erzählungen mit biologischen und forstwirtschaftlichen Zusammenhängen und philosophischen Betrachtungen. Auch die Jagd wird mehrfach angesprochen, etwa anlässlich der Teilnahme des Autors an einer Trauerfeier für den verstorbenen Leiter des Forstamts Göhrde. Neben Bänden über „Heide“, „Strand“ oder „Randmeer“ ist das ein vielversprechender Auftakt zu den „European Essays“.

Helmut Schreier: Unter Bäumen, KJM Buchverlag 2023, 144 Seiten gebunden, 20,00 Euro

Die verlorenen Zaubersprüche

Die verlorenen Zaubersprüche

Robert Macfarlane gilt als einer der Wegbereiter des New Nature Writing. Im deutschen Sprachraum wurde er bekannt mit seinem Buch „Karte der Wildnis“ (erschienen 2015, im Original 2007; Rezension siehe hier). Darin hatte er sich auf die Suche nach den letzten unberührten Flecken Natur gemacht und seine Funde in einfühlsamer und klangvoller Sprache beschrieben. Seitdem sind Titel wie „Alte Wege“, „Im Unterland“ oder „Berge im Kopf“ hinzugekommen, die Macfarlane zu einem modernen Klassiker dieses Genres machen.

Jetzt hat er ein Buch mit „verlorenen Zaubersprüchen“ geschrieben. Dabei ist der Titel etwas irreführend: Es sind darunter nicht wirklich Zaubersprüche versammelt, jedenfalls nicht, wenn man dabei an Harry Potter denkt. Es sind eher Beschwörungsformeln, gedichtartige und bildreiche kleine Geschichten oder Beschreibungen von Pflanzen und Tieren. Oder auch Sprüche, Lieder, Psalmen, Zungenbrecher. Man solle sie, so wird im Vorwort empfohlen, laut vor sich hin sprechen oder singen – um den Verlusten an Lebewesen, Orten und Wörtern unserer Epoche entgegenzuwirken.

Besonders zu würdigen ist die Arbeit der Übersetzerin Daniela Seel. Literarisches Übersetzen ist immer eine schwierige Tätigkeit, und das Übersetzen von Lyrik ganz hohe Kunst. Die „verlorenen Zaubersprüchen“ bergen aber noch eine besondere Komplikation: Die einzelnen Verse beginnen nämlich mit den Einzelbuchstaben der beschworenen Tiere oder Pflanzen, also Verse zur Eiche beispielsweise mit den Buchstaben E, I, C, H und E. Hier deutsche Entsprechungen zum englischen Original gefunden zu haben, dürfte selbst schon an Zauberei grenzen.

Ob man sich mit diesem Buch in den Wald setzt oder es doch lieber auf dem stillen Örtchen liest, ist einerlei. Für letzteres ist es allerdings zu schade: Wie alle Bücher in der Reihe „Naturkunden“ ist es sehr hochwertig ausgestattet, und die wunderbaren Illustrationen von Jackie Morris machen es zur bibliophilen Kostbarkeit.

Robert Macfarlane und Jackie Morris: Die verlorenen Zaubersprüche, Verlag Matthes & Seitz 2021, 120 Seiten gebunden, 22,00 Euro

Wald

Mit den optisch und haptisch ansprechenden Bänden der Reihe NaturZeit bedient der Kosmos-Verlag die Nachfrage nach populärwissenschaftlichen Natur-Sachbüchern – gebunden in Halbleinen und gedruckt auf einem offenen, matten Ökopapier. Das macht sie zu beliebten Geschenken. In einem aktuellen Band wird der Wald in den Fokus gerückt, was angesichts des aktuellen Hypes um Waldbaden oder Waldkindergärten und vor dem Hintergrund der problematischen Situation unserer Wälder durch Trockenheit und Schädlinge wenig verwunderlich ist. Die Umweltjournalistin Adriane Lochner erzählt darin von der Beziehung zwischen Mensch und Wald und nimmt ihre Leserinnen und Leser mit auf einen Waldspaziergang durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 

Tatsächlich streift das Buch eine Vielzahl historischer, biologischer und wirtschaftlicher Aspekte, naturalistisch illustriert durch Zeichnungen von Paschalis Dougalis. Es geht beispielsweise um den Wald in Kunst und Mythologie, die Genese des Nachhaltigkeitsbegriffs, die Pflanzen- und Tierwelt, typische Waldformationen in Europa oder moderne Forstwirtschaft. Insgesamt zeigt sich die Autorin fachlich gut informiert und spart auch nicht mit sachlicher Kritik an dem einen oder anderen Baumflüsterer. Allerdings hangelt sie sich von einem Unterthema zum nächsten wie weiland Tarzan von Liane zu Liane. Auch wenn das durchaus gut und verständlich geschrieben ist, wäre hier weniger vielleicht mehr gewesen.

Adriane Lochner: Wald. Was er uns schenkt, wie wir ihn prägen, erschienen 2019 im Franckh-Kosmos Verlag, 208 Seiten, gebunden, 14,99 Euro

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