Texter | Journalist | Schriftsteller

Schlagwort: birdwatching

Kolkrabe

Cover Kolkrabe

Corvus corax, der größte Singvogel der Welt, fasziniert und verängstigt die Menschen seit jeher. Alles mögliche wurde dem Kolkraben angedichtet, mal wurde er vergöttert, dann wieder scharf bejagt. Seine Fähigkeit, die unterschiedlichsten Lebensräume zu besiedeln, vom Hochgebirge über die Kulturlandschaft bis in den urbanen Raum, ist ebenso erstaunlich wie seine Intelligenz. Erstaunlich sind auch seine Flugakrobatik und das komplexe Sozialverhalten, das uns Menschen gar nicht unähnlich zu sein scheint. Und sein dunkler Ruf, der in kalter Winterluft weit getragen wird. 

Unter den vielen Publikationen über Rabenvögel ragt Heinrich Hallers Buch „Der Kolkrabe“ heraus. Und das vor allem ästhetisch: Das schwere Naturpapier mit rauer Oberfläche verleiht diesem gewichtigen Bildband im Querformat 24 x 30 cm eine besondere Optik und Haptik, die hervorragend zur Bildsprache passt (und den vergleichsweise hohen Preis rechtfertigt). Die informativen Texte sind eher kurz gehalten, entsprechend der erklärten Absicht des Fotografen und Autors, ein persönliches Porträt vorzulegen und kein wissenschaftliches Fachbuch. 

Haller war bis zu seiner Pensionierung 2019 Direktor des Schweizerischen Nationalparks, dem ältesten Nationalpark der Alpen und Mitteleuropas, gelegen im Kanton Graubünden in der östlichsten Ecke der Schweiz. Wissenschaftlich befasste er sich unter anderem mit Wildtieren und Wilderei, außerdem lehrte er Gebirgsökologie an der Uni Göttingen. Die meisten seiner beeindruckenden Fotografien im Band sind dann auch in den Alpen entstanden. Haller hat in erster Linie Bilder ausgewählt, die typisches Verhalten der Kolkraben zeigen, etwa Balzflüge, Raben im Horst, beim Aasfressen oder im Zweikampf. Einige Bilder entstanden auf Reisen des Autors in anderen Teilen der Welt, und vereinzelt hat Haller auch andere Tierarten des Gebirges abgelichtet. 

Heinrich Haller: Der Kolkrabe. Totenvogel, Götterbote, tierisches Genie, Haupt Verlag 2022, 216 Seiten gebunden, 49,00 Euro

Grundwissen Vogelbestimmung

Cover Grundwissen Vogelbestimmung

Wer sich für Vögel interessiert, wird mit der Zeit eine beachtliche Sammlung von Bestimmungsbüchern aufgebaut haben. Längst ist vergessen, woher der vergilbte „Taschenatlas der Vögel“ stammt oder das alte „Welcher Vogel ist das?“ Das zerlesene Bestimmungsbuch „aller Arten Europas“ hat man sich vielleicht irgendwann selbst gekauft, ebenso wie die Bildbände und Fachbücher über Greife, Eulen, Gänse … Und mittlerweile gibt es auch wirklich gute Apps für das Smartphone. Warum also sollte man sich im Jahr 2023 ein dickes und schweres Buch mit dem „Grundwissen Vogelbestimmung“ anschaffen, noch dazu für 34,95 Euro?

Die Antwort lautet: Weil es wirklich nützlich ist. Die dritte, vollständig bearbeitete und erweiterte Auflage des Werks ordnet das Grundwissen in zwei Hauptteile. Die ersten 12 Kapitel führen in die Welt der Vogelbeobachtung ein, angefangen bei praktischen Ausrüstungstipps über grundlegendes Wissen zu Biologie, Verhalten und Taxonomie der Vögel bis hin zur kritischen Betrachtung des Naturschutzes in Deutschland; vielleicht ist der eine oder andere Tipp überflüssig (am Stausee Müsliriegel nicht vergessen!), aber insgesamt ist da wirklich viel Lesenswertes zu finden, auch für vogelkundlich Vorgebildete. 

Der große Unterschied zu anderen Büchern ist das 13. und mit Abstand längste Kapitel: Das stellt die mitteleuropäischen Vogelfamilien vor, zeigt deren gemeinsame Merkmale und die Unterschiede zu ähnlichen Familien und beschreibt die jeweils wichtigsten Vertreter im Vergleich. Wer also, um ein Beispiel zu geben, einen Wasservogel beobachtet, wird ihn möglicherweise als Entenverwandten einstufen, dann den Schwänen, Gänsen, Enten oder Sägern zuordnen und schließlich aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden die konkrete Art bestimmen. Dabei helfen zahlreiche Fotos und Grafiken, und mehrere Verzeichnisse und Register erhöhen den Nutzen als Nachschlagewerk.

Christoph Moning, Thomas Griesohn-Pflieger, Michael Horn: Grundwissen Vogelbestimmung. Vorbereitung, Planung und Strategie der erfolgreichen Vogelbeobachtung, Quelle & Meyer Verlag, 3. Aufl. 2022, 590 Seiten gebunden, 34,95 Euro

Zen

Lange Zeit galten Vogelbeobachter als verschrobene Gesellen. Das hat sich geändert, heute heißt ihr Hobby „Birdwatching“ und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, ist doch die Begeisterung für die gefiederten Tiere, für ihre Vielfalt, Farbenpracht oder Flugkünste, alles andere als verschroben. 

Aber ist das Vogelbeobachten wirklich nur ein Hobby? Für Arnulf Conradi nicht. Aus Sicht des Verlegers, Herausgebers und Autors ist es vielmehr eine Kunst, ja mehr noch: eine Lebensform, ein Habitus. Der wahre Vogelbeobachter, schreibt Conradi, lebe seine Passion fortwährend und in jeder Situation. Im Akt des Beobachtens sei er ganz in der Gegenwart. Vergangenheit und Zukunft verschwänden vollständig in der Besinnung auf den beobachteten Vogel. Conradi vergleicht das mit der Achtsamkeitsmeditation, die ebenfalls nicht verändern wolle, sondern nur wahrnehmen, was ist. Schon der Zen-Buddhismus, aus dem diese Form der Meditation ursprünglich stamme, lebe aus einem tiefen Bezug zur Natur. 

Das Buch ist also weder praktisches Vademecum für Birdwatcher noch Bestimmungsbuch (keine Abbildungen!). Es bietet vielmehr kluge und anregende Reflexionen, lebendige Darstellungen von Vögeln in ihren Habitaten sowie Reise- und Landschaftsbeschreibungen. Geografisch reicht das Spektrum von der Antarktis bis Helgoland, von den Alpen bis Sylt, vom Grunewald über die Uckermark bis zur Peene. Ornithologisch reicht es vom Albatros über Greife und Entenvögel bis zu Amsel, Drossel, Fink und Star. Und zeitlich über sechs Jahrzehnte einer großen Passion. 

Conradi, Arnulf: Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, erschienen 2019 im Verlag Antje Kunstmann, 240 Seiten, gebunden, 20,00 Euro

© 2024 Dr. Volker Pesch

Theme von Anders NorénHoch ↑