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Schlagwort: birdwatching

Das Liebesleben der Vögel

Cover Liebesleben der Vögel

Das Liebesleben der Vögel ist variantenreich und in vielerlei Hinsicht überraschend. Neuere Forschungen haben vieles revidiert, was früher als Faktum galt. Beispielsweise wurde lange Zeit angenommen, die meisten Vögel seien monogam. Dabei trifft das eigentlich nur auf die größten Arten zu, wie Adler oder Kraniche, und auf die klügsten, wie die Rabenvögel. Man weiß heute auch, dass in den meisten Vogelnestern Nachkommen mehrerer Männchen ausgebrütet werden, und dass der Klimawandel die Neigung zum gelegentlichen Partnerwechsel noch beflügelt. Die meisten Vogelpaare trennen sich spätestens nach Brut oder Aufzucht, und auf die Reise gen Süden machen sich vor allem Singles.

Es sei hier dahingestellt, ob diese Eigenschaften wirklich den Schluss zulassen, Vögel und Menschen stünden einander viel näher, als wir glaubten. Das werden wir situationsbezogen sehr unterschiedlich bewerten, höchstwahrscheinlich. In jedem Fall stimmt die einleitende Feststellung des Autors, dass Beziehungsfragen zu den wichtigsten Themen unseres Daseins gehörten. Insofern sind die Einblicke, die Ernst Paul Dörfler uns in die Beziehungswelten von über fünfzig heimischen Vogelarten gewährt, spannend und unterhaltsam zu lesen, zumal er sich nie auf die biologischen Beschreibungen von Balz, Verpartnerung, Brut und Aufzucht der Jungvögel beschränkt. Beim Gesang der Amsel macht er einen Schlenker zum menschlichen Musizieren, bei der Rauchschwalbe geht es auch um Geschlechtergerechtigkeit, bei der Taube um Frieden. Um hier nur drei Beispiele zu nennen.

Dörfler hat schon mehrere Fachbücher geschrieben, vor allem über Vögel. Immer wieder schafft er den schwierigen Spagat zwischen Leichtigkeit auf der einen und sachlichem Gehalt auf der anderen Seite. Dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem EuroNatur-Preis der Stiftung Europäisches Naturerbe.

Ernst Paul Dörfler: Das Liebesleben der Vögel, Hanser Verlag 2024, 237 Seiten gebunden, 16,99 Euro

Das große Buch der Vogelfedern

Cover Vogelfedern

Der renommierte Ornithologe und Fachautor Hans-Heiner Bergmann hat neben seiner Arbeit für Fachzeitschriften wie „Der Falke“ zahlreiche Bücher über Vögel vorgelegt. Jetzt hat er sein längst schon zum Standardwerk avanciertes Buch „Die Federn der Vögel Mitteleuropas“ vollständig überarbeitet und einen großformatigen Bildband vorgelegt, der hinsichtlich Gehalt und Vollständigkeit seinesgleichen sucht. 

In der allgemeinen Einführung über „das Wunder der Vogelfeder“, die sich mit Formen von Federn, ihren Farben, Funktionen, Strukturen und anderem mehr befasst, wird die Faszination, die von diesen Wunderwerken der Natur ausgeht, noch verständlicher. Als grundlegendes Ordnungsprinzip des Hauptteils dienen dann die einzelnen Singvogelfamilien. Darunter ist jeder Art eine Doppelseite gewidmet. Auf der sind Hinweise zu Vorkommen, Mauser und ähnlichen Arten sowie eine detaillierte Beschreibung des Gefieders zu finden. Außerdem zeigen Fotos jeweils den ganzen Vogel, eine vollständige Schwinge sowie alle einzelnen Federn dieser Art, soweit möglich in Originalgröße. Das dürfte einzigartig sein und zeugt von einer jahrzehntelangen, akribischen Sammelleidenschaft des Autors. Ein Glossarium, weiterführende Literatur- und Linktipps sowie ein Register der deutschen und wissenschaftlichen Vogelnamen runden den Band ab. 

Wer künftig im Revier Federn oder eine Rupfung findet und nachschlagen möchte, von welchem Vogel die Fundstücke stammen, wird „zum Bergmann“ greifen.

Hans-Heiner Bergmann: Das große Buch der Vogelfedern. Die Singvögel Mitteleuropas, Aula-Verlag 2024, 296 Seiten gebunden, 78,00 Euro

Wie funktioniert ein Vogel?

Cover Wie funktioniert ein Vogel

Ornithologie als Hobby, neudeutsch auch Birdwatching genannt, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Entsprechend groß ist mittlerweile die Zahl an voluminösen Büchern zur Vogelbestimmung oder mit Portraits einzelner Arten oder Familien, am Kiosk gibt es gleich mehrere Special Interest-Magazine und natürlich macht auch das Internet zahllose Angebote. Hier spielt Multimedia sogar besondere Stärken aus, etwa wenn Artenportraits mit Videos und Tonaufnahmen der Gesänge verbunden werden.  

So ist es eigentlich verblüffend, dass Hans-Heiner Bergmann mit einer kleinen und eher schnörkellosen Monografie eine echte Lücke schließen kann: Er liefert allgemeines Grundwissen über Vögel. Sein Taschenbuch bietet eine kurze und allgemeinverständliche Erläuterung, wie ein Vogel „funktioniert“. Es basiert auf dem Standardwerk des Autors „Die Biologie des Vogels“ von 1987, wurde aber vollständig überarbeitet und auf den neuesten Stand der Forschung gebracht.

Was ist eigentlich ein Vogel? Wie ist das Skelett dieser befiederten Wirbeltiere beschaffen? Wie atmen sie? Woraus bestehen ihre Federn, wie haben sich die Vögel stammesgeschichtlich entwickelt, wie entwickelt sich jedes einzelne Individuum, welche Rolle spielt ein Vogel im Ökosystem? Und warum fällt ein schlafender Vogel nicht vom Baum? Solche und andere Fragen beantwortet der renommierte Ornithologe und Fachautor, ehemals Professor an der Universität Osnabrück, auf ebenso fundierte wie leicht verständliche Weise, illustriert mit zahlreichen Fotos und Grafiken. Ein echter Gewinn für die Bibliothek eines jeden Birdwatchers, und auch ein passionierter Hobbyornithologe wird daraus noch Gewinn ziehen.

Hans-Heiner Bergmann: Wie funktioniert ein Vogel? Quelle & Meyer Verlag 2022, 152 Seiten, Taschenbuch, 16,95 Euro

Kolkrabe

Cover Kolkrabe

Corvus corax, der größte Singvogel der Welt, fasziniert und verängstigt die Menschen seit jeher. Alles mögliche wurde dem Kolkraben angedichtet, mal wurde er vergöttert, dann wieder scharf bejagt. Seine Fähigkeit, die unterschiedlichsten Lebensräume zu besiedeln, vom Hochgebirge über die Kulturlandschaft bis in den urbanen Raum, ist ebenso erstaunlich wie seine Intelligenz. Erstaunlich sind auch seine Flugakrobatik und das komplexe Sozialverhalten, das uns Menschen gar nicht unähnlich zu sein scheint. Und sein dunkler Ruf, der in kalter Winterluft weit getragen wird. 

Unter den vielen Publikationen über Rabenvögel ragt Heinrich Hallers Buch „Der Kolkrabe“ heraus. Und das vor allem ästhetisch: Das schwere Naturpapier mit rauer Oberfläche verleiht diesem gewichtigen Bildband im Querformat 24 x 30 cm eine besondere Optik und Haptik, die hervorragend zur Bildsprache passt (und den vergleichsweise hohen Preis rechtfertigt). Die informativen Texte sind eher kurz gehalten, entsprechend der erklärten Absicht des Fotografen und Autors, ein persönliches Porträt vorzulegen und kein wissenschaftliches Fachbuch. 

Haller war bis zu seiner Pensionierung 2019 Direktor des Schweizerischen Nationalparks, dem ältesten Nationalpark der Alpen und Mitteleuropas, gelegen im Kanton Graubünden in der östlichsten Ecke der Schweiz. Wissenschaftlich befasste er sich unter anderem mit Wildtieren und Wilderei, außerdem lehrte er Gebirgsökologie an der Uni Göttingen. Die meisten seiner beeindruckenden Fotografien im Band sind dann auch in den Alpen entstanden. Haller hat in erster Linie Bilder ausgewählt, die typisches Verhalten der Kolkraben zeigen, etwa Balzflüge, Raben im Horst, beim Aasfressen oder im Zweikampf. Einige Bilder entstanden auf Reisen des Autors in anderen Teilen der Welt, und vereinzelt hat Haller auch andere Tierarten des Gebirges abgelichtet. 

Heinrich Haller: Der Kolkrabe. Totenvogel, Götterbote, tierisches Genie, Haupt Verlag 2022, 216 Seiten gebunden, 49,00 Euro

Grundwissen Vogelbestimmung

Cover Grundwissen Vogelbestimmung

Wer sich für Vögel interessiert, wird mit der Zeit eine beachtliche Sammlung von Bestimmungsbüchern aufgebaut haben. Längst ist vergessen, woher der vergilbte „Taschenatlas der Vögel“ stammt oder das alte „Welcher Vogel ist das?“ Das zerlesene Bestimmungsbuch „aller Arten Europas“ hat man sich vielleicht irgendwann selbst gekauft, ebenso wie die Bildbände und Fachbücher über Greife, Eulen, Gänse … Und mittlerweile gibt es auch wirklich gute Apps für das Smartphone. Warum also sollte man sich im Jahr 2023 ein dickes und schweres Buch mit dem „Grundwissen Vogelbestimmung“ anschaffen, noch dazu für 34,95 Euro?

Die Antwort lautet: Weil es wirklich nützlich ist. Die dritte, vollständig bearbeitete und erweiterte Auflage des Werks ordnet das Grundwissen in zwei Hauptteile. Die ersten 12 Kapitel führen in die Welt der Vogelbeobachtung ein, angefangen bei praktischen Ausrüstungstipps über grundlegendes Wissen zu Biologie, Verhalten und Taxonomie der Vögel bis hin zur kritischen Betrachtung des Naturschutzes in Deutschland; vielleicht ist der eine oder andere Tipp überflüssig (am Stausee Müsliriegel nicht vergessen!), aber insgesamt ist da wirklich viel Lesenswertes zu finden, auch für vogelkundlich Vorgebildete. 

Der große Unterschied zu anderen Büchern ist das 13. und mit Abstand längste Kapitel: Das stellt die mitteleuropäischen Vogelfamilien vor, zeigt deren gemeinsame Merkmale und die Unterschiede zu ähnlichen Familien und beschreibt die jeweils wichtigsten Vertreter im Vergleich. Wer also, um ein Beispiel zu geben, einen Wasservogel beobachtet, wird ihn möglicherweise als Entenverwandten einstufen, dann den Schwänen, Gänsen, Enten oder Sägern zuordnen und schließlich aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden die konkrete Art bestimmen. Dabei helfen zahlreiche Fotos und Grafiken, und mehrere Verzeichnisse und Register erhöhen den Nutzen als Nachschlagewerk.

Christoph Moning, Thomas Griesohn-Pflieger, Michael Horn: Grundwissen Vogelbestimmung. Vorbereitung, Planung und Strategie der erfolgreichen Vogelbeobachtung, Quelle & Meyer Verlag, 3. Aufl. 2022, 590 Seiten gebunden, 34,95 Euro

Zen

Lange Zeit galten Vogelbeobachter als verschrobene Gesellen. Das hat sich geändert, heute heißt ihr Hobby „Birdwatching“ und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, ist doch die Begeisterung für die gefiederten Tiere, für ihre Vielfalt, Farbenpracht oder Flugkünste, alles andere als verschroben. 

Aber ist das Vogelbeobachten wirklich nur ein Hobby? Für Arnulf Conradi nicht. Aus Sicht des Verlegers, Herausgebers und Autors ist es vielmehr eine Kunst, ja mehr noch: eine Lebensform, ein Habitus. Der wahre Vogelbeobachter, schreibt Conradi, lebe seine Passion fortwährend und in jeder Situation. Im Akt des Beobachtens sei er ganz in der Gegenwart. Vergangenheit und Zukunft verschwänden vollständig in der Besinnung auf den beobachteten Vogel. Conradi vergleicht das mit der Achtsamkeitsmeditation, die ebenfalls nicht verändern wolle, sondern nur wahrnehmen, was ist. Schon der Zen-Buddhismus, aus dem diese Form der Meditation ursprünglich stamme, lebe aus einem tiefen Bezug zur Natur. 

Das Buch ist also weder praktisches Vademecum für Birdwatcher noch Bestimmungsbuch (keine Abbildungen!). Es bietet vielmehr kluge und anregende Reflexionen, lebendige Darstellungen von Vögeln in ihren Habitaten sowie Reise- und Landschaftsbeschreibungen. Geografisch reicht das Spektrum von der Antarktis bis Helgoland, von den Alpen bis Sylt, vom Grunewald über die Uckermark bis zur Peene. Ornithologisch reicht es vom Albatros über Greife und Entenvögel bis zu Amsel, Drossel, Fink und Star. Und zeitlich über sechs Jahrzehnte einer großen Passion. 

Conradi, Arnulf: Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, erschienen 2019 im Verlag Antje Kunstmann, 240 Seiten, gebunden, 20,00 Euro

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